SÜSSER ALS WEIN IST DEINE LIEBE

317. Kleine Vaterbetrachtung

Es sind die Mystiker, die uns die Liebe Gottes anschaulich schildern, oft sogar in verzückter Sprache – wie wir sie auch bei Verliebten kennen, wenn sie die menschliche Liebe ausdrücken.

Diese Mystiker sind wie trunken, weil die überwältigende göttliche Liebe die Tiefen ihrer Seele geöffnet hat, in sie einströmt und dann auch überströmt. Es ist für sie kaum zu fassen! Unsere irdische Begrenzung tut sich schwer, das zu beschreiben, was die Seele erlebt.

Doch die Sprache der menschlichen Liebe hilft…

So können wir zuhören, wie im Hohelied Salomos eine solche Liebe beschrieben wird. Obwohl sich die Sprache im Bereich der menschlichen Liebe bewegt, transzendiert sie zur Liebe zwischen Gott und der menschlichen Seele und läßt uns – in der Sprache von Braut und Bräutigam – die Schönheit dieser Liebe wahrnehmen.

Die Seele: Du, den meine Seele liebt, sag mir: Wo weidest Du die Herde? Wo lagerst du am Mittag? (Hld 1,7)

Der Geliebte: Wenn Du das nicht weißt, du schönste aller Frauen, dann folge den Spuren der Schafe. (…) Schön bist Du meine Freundin, ja, du bist schön. (Hld 1,8.15a)

Die Seele: Schön bist du mein Geliebter, verlockend!

In seinem Schatten begehre ich zu sitzen. Wie süß schmeckt seine Frucht meinem Gaumen. Seine Linke liegt unter meinem Kopf, seine Rechte umfängt mich! (Hld 1,16; 2,3.6)

Der Geliebte: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch! Meine Taube im Felsennest, dein Gesicht laß mich sehen, deine Stimme hören! Denn süß ist deine Stimme, lieblich dein Gesicht. An dir ist alles schön, meine Freundin; kein Makel haftet dir an. Komm doch mit mir, meine Braut! (Hld 2,10.14; 4,7-8a)

Die Seele: Meinem Geliebten gehöre ich und mir gehört der Geliebte, der in den Lilien weidet. Ich gehöre meinem Geliebten und ihn verlangt nach mir! (Hld 6,3; 7,11)