Eine Herde ohne Hirten

„Ich bin der gute Hirt“ Joh 10,14

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Mk 6,30-34

In jener Zeit versammelten sich die Apostel, die Jesus ausgesandt hatte, wieder bei ihm, und berichteten alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren, und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an. Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange. 

Zwei Mal können wir in diesem Text ein wenig in das Herz unseres Herrn schauen! Im ersten Fall lernen wir etwas über die innige Beziehung zwischen Jesus und seinen Jüngern. Sie waren offensichtlich von der Mission erschöpft: die vielen Menschen, keine Zeit zum Essen und von ihrem Dienst ganz in Anspruch genommen!

Wer es einmal mit vielen Menschen zu tun hatte und ebenfalls einer Mission diente, der kann verstehen, wie erschöpft sie gewesen sein mußten, denn wo viele Menschen Hilfe brauchen, verlangen diese uns alles ab! Man ist immer im Dienst, und alle inneren Kräfte werden angesprochen.

So war es mit den Jüngern! Der Herr sah dies und wollte ihnen Ruhe verschaffen, um ihre körperlichen und seelischen Kräfte wieder zu erneuern und um mit ihnen allein zu sein!

Wir können sehen, wie feinfühlig der Herr hier mit seinen Jüngern umgeht und sehr gut weiß, was sie nun brauchen! Es ist ein  Blick der Liebe und des tiefen Verständnisses.

Doch es kam anders! Die vielen Menschen suchten Jesus, und sie erreichten diesen Ort der Einsamkeit, noch bevor Jesus mit den Jüngern dort ankam!

Und wieder können wir in das Herz des Herrn schauen, wie er die Not der Menschen erkannte. Er sah sie an wie Schafe, die keinen Hirten haben. Das ist ein schlimmer Zustand! Eine Herde, die keinen Führer hat, ist dem Kommen des Wolfes schutzlos ausgeliefert! Das gilt für die Schafherde, aber auch für die Menschen.

Der Mensch ist auf eine wahrhaftige Führung angewiesen! Die Menschen, die Jesus suchten, spürten wohl, daß die religiösen Führer der damaligen Zeit ihnen nicht wirklich Hirten sein konnten. Sie weideten oft genug sich selbst, wie es die Heiligen Schriften bezeugen (vgl. Ez 34,2). Das ist ein schlimmer Zustand, der die Menschen in große innere Not bringen kann! Denken wir daran, wie sehr das Volk Israel jammerte, daß keine Propheten da seien und niemand, der sie anführe (vgl. Dan 3,38).

Jesus sieht diese Not. Er, der gute Hirte, gibt das Leben für seine Schafe. Deshalb nimmt er sich ihrer auch unabhängig von eigener Müdigkeit und Erschöpfung an. Die Menschen brauchen ihn, sie brauchen Wegweisung, sie brauchen seine Liebe und Nähe, sie brauchen Erlösung!

Das ist heute nicht anders, auch wenn die Menschen selbstbewußt oder emanzipiert wirken. Aber wie viel Verwirrung herrscht in der heutigen Gesellschaft! Man läuft falschen Ideologien nach, nicht selten dem Geld, falschen Glücksvorstellungen: sie haben keine Hirten, nach denen sie sich richten können und wissen oft nicht, wohin sie gehören!

Leider ist auch in der Kirche eine große Verwirrung ausgebrochen und wir finden nur wenige Hirten, die sich der Verwirrung entgegenstellen und klare Weisungen geben. Ich habe gestern auf den synodalen Irrweg hingewiesen, der sich in der Kirche in Deutschland manifestiert. Man ist sogar bereit, Beschlüsse zu fassen, die gegen das Lehramt der katholischen Kirche stehen können. Es waren eine Handvoll Bischöfe, welche ihre Stimme dagegen erhoben, alle anderen haben – wie es aussieht – für diese unsägliche Entscheidung gestimmt.

Wohin sollen nun die gläubigen Katholiken in Deutschland gehen, die diesen „Taumelbecher“ nicht trinken wollen? Und die Priester, die erkennen, daß es ein Irrweg ist? Von Rom ist kaum eine klare Korrektur zu erwarten…

Umso wichtiger ist es, Jesus zu suchen, ihm zu sagen, daß wir ihn brauchen und auf seine Stimme zu hören, inmitten dem Vielklang aller möglichen Stimmen. Er hat sein Wort gesprochen, er hat uns die Kirche mit einem klaren Lehramt hinterlassen, und wenn wir auf sein Wort und die authentische Stimme der Kirche hören, dann haben wir Orientierung!

Vielleicht haben seine Jünger es heute auch nötig, sich bei ihm und mit ihm auszuruhen, irgendwo, wo es ruhig ist und die Stille sie umfangen kann. Doch werden sie die Augen auch auf die Not der heutigen Zeit zu richten haben, auf die Orientierungslosigkeit vieler Menschen. Die Not der Menschen hat das Herz Jesu gerührt, und so sollte sie auch das Herz der Jünger rühren.

Im Text heißt es: Und Jesus lehrte sie lange. 

Die seelische und geistige Not der Menschen liegt noch tiefer als ihre materielle Not, die Befreiung von Sünde und Verwirrung wiegt schwerer als alles andere. Die Menschen brauchen eine klare Verkündigung und ein Vorbild. Sie müssen wissen, was Gnade und Sünde ist, was sie näher zu Gott bringt und wodurch sie sich von ihm entfernen!

Und Jesus lehrte sie lange. Ihre Seelen waren ausgetrocknet, und sein Wort gab ihnen Kraft und Nahrung.

Seien wir bereit, auch ein Zeugnis zu geben, indem wir uns von der Liebe Jesu ergreifen lassen und mit Mitleid auf die schauen, die keinen Hirten haben und den Herrn noch nicht kennen!