Die wahre Einfachheit, Teil 2

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Wie wir in der letzen Auslegung gehört haben, geschieht im Ausrichten unseres Lebens nach der Wahrheit und der Liebe ein Prozeß der Konzentrierung und somit der Vereinfachung des Lebens.

Die wahre Einfachheit ist weit davon entfernt, z.B. ein Leben, welches nur auf die materielle Erhaltung des Daseins ausgerichtet ist, als positiv einfach und somit erstrebenswert zu verstehen.

Auch wenn ein Mangel an geistiger Fähigkeit vorliegt, wodurch sich der tiefere Gehalt der Dinge nicht leicht erschliesst und man sich daher nur dem unmittelbar Begreifbaren zuwendet, ist nicht die wahre Einfachheit in dem hier dargelegten Sinn.

Ebenso ist ein Vereinfachen, welches der Differenziertheit von Vorgängen nicht entspricht und sich mit „platten und verkürzten“ Erklärungen genügt, weit von der wahren Einfachheit entfernt, genauso wie eine „falsche Kindlichkeit“, die „frisch, fromm, fröhlich und frei“ an den Problemen vorübergeht und so niemals zu einer Lösung kommt.

Die wahre Einfachheit hingegen hat mit Gott zu tun; das Leben wird in dem Maß einfacher, wie es von Gott erfüllt wird. Wir beurteilen die Dinge nicht mehr unter verschiedensten Gesichtspunkten, wie z.B. unser zeitliches Interesse, die Interessen anderer Menschen, die Rücksicht auf die öffentliche Meinung und d a n e b e n auch unter dem Gesichtspunkt, was der Wille Gottes ist – als wären jene gleichberechtigt. Es herrscht stattdessen ein übergeordneter Gesichtspunkt über unserem ganzen Leben, der alles beurteilt und ordnet: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben werden“ (Mt 6,33) Das Leben wird auf diese Weise einheitlich und bekommt eine übernatürliche Einstellung. Nicht mehr die Natur mit ihren Forderungen und Wünschen steht im Vordergrund, sondern der Wille Gottes.

Wie gelangen wir also zur wahren Einfachheit?

Wir haben schon gehört, daß sie darin besteht, nach der Liebe und Wahrheit zu fragen, den Willen Gottes als übergeordnetes Leitprinzip in allen Lebenslagen zu betrachten.

Das führt uns zu dem immerwährenden Thema des geistlichen Lebens, denn die wahre Einfachheit ist eine Frucht der authentischen Nachfolge Christi.

Damit eine solche Frucht wachsen kann, müssen wir in der Nachfolge lernen, auf alles zu verzichten, wenn uns Gott dazu ruft. Kein Geschöpf und kein geschöpfliches Gut dürfen unser Herz so besitzen, daß es die Ganzhingabe an den Herrn hindern könnte; etwa so: „Alles kann der Herr haben, nur dies eine nicht!“

Nichts darf unsere Hingabe an Gott begrenzen, sie an bestimmte Bedingungen knüpfen. Wir sollen das Wort nicht überhören: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert“ (Mt 10,37). Wer das nicht mit ganzem Herzen versucht, wird nicht die volle und wahre Einfachheit erlangen können. Es kann sonst leicht geschehen, daß man auf die Einladung des Herrn zur Nachfolge, wie jener im biblischen Gleichnis, antwortet: „Ich habe einen Acker gekauft und muss dringend gehen und ihn besichtigen. Bitte, entschuldige mich!…“ (Lk 14,18-21)

Vielleicht werden manche einwenden, daß dies doch nur für Ordensberufungen zu gelten habe. Doch im übertragenen Sinn ist dies auf jede Lebensweise anwendbar, wenn wir unsere letzte Verwurzelung in Christus haben wollen. Auch das Leben in der Welt braucht eine übergeordnete Sichtweise, damit ich all die Umstände, in denen ich lebe und die auf mich zukommen, vor Gott prüfe, um von ihm her die rechte Antwort zu geben.

So wird mich der Geist des Herrn dorthin führen, daß ich viele Dinge lasse, die zwar in sich nicht sündig sein mögen, mich aber zerstreuen und mir damit die Einfachheit und Geordnetheit auf Gott hin erschweren. Man wird wahrnehmen, daß sie mit einem tiefen inneren geistlichen Leben nicht zusammenpassen. Denken wir an die vielen Angebote der Medien, die ständigen Kommunikationsmöglichkeiten durch die Smartphones, die Zerstörung der Stille und vieles mehr!

Der Geist wird aber nicht ruhen, bis er mich lehrt, die wertvollen Dinge von den weniger wertvollen zu unterscheiden und das zurückzulassen, was dem Reich Gottes nicht dienlich ist. Er wird mich lehren, mich nicht der Eigendynamik der Dinge zu überlassen, sondern sie immer an der rechten Stelle in ein übergeordnetes Prinzip einzuordnen: Die Gespräche werden sich nicht zu sehr in die Länge ziehen und in unnötiges Gerede abgleiten, Ablenkungen werde ich bemerken und zunehmend beschränken, die Zeiten für das Gebet werden immer wichtiger usw.

Auch die Weise des Gebetes vereinfacht sich, je mehr sich die Nachfolge des Herrn vertieft. Waren früher vor allem mündliche Gebete für mich wichtig, so suche ich nun mehr das einfache und stille Gebet vor Gott.

Die wahre Einfachheit besteht also darin, daß Gott in seiner Einfachheit – obwohl er die Fülle besitzt – in mir mehr und mehr Wohnung nehmen kann. Dann wird unser Leben auf ihn ausgerichtet, wir werden abnehmen und er wird zunehmen (vgl. Joh 3,30).

Wie einfach wird es, wenn wir sagen können, daß Gott uns als Vater liebt und nichts anderes möchte, als uns mit sich selbst und allem, was er geben kann, zu beschenken.

Wie einfach wird es, wenn wir sagen können: „Ja, Vater, Dein Wille geschehe, denn ich liebe Dich!“