SELBST DIE SÜNDE KANN UNS DEM VATER NÄHER BRINGEN

209. Kleine Vaterbetrachtung

“Die Sünde, selbst die Sünde, mein Sohn, wird zu einer Stufe, die uns Gott näher bringt, die uns erhebt, die uns noch sicherer zu Ihm führt, wenn auf diese Sünde der tiefe Schmerz darüber folgt, sie begangen zu haben, wenn wir uns ehrlich vornehmen, sie nicht zu wiederholen, wenn wir fühlen, wie schlecht wir gegen Gottes Barmherzigkeit gehandelt haben; wenn es ihr gelingt, die härtesten Fasern unseres Herzens zu zerreißen und aus ihnen Tränen der Reue und der Liebe fließen zu lassen. (Heiliger Pater Pio) 

Die Meisterwerke unseres Vaters sind nicht zu übertreffen, denn auch die Sünde, jene umfassende und wirkliche Katastrophe unseres Daseins, kann Gottes Güte verwandeln, wenn der Mensch bereut und umkehrt.

Wenn wir dies betrachten und darin die umfassende Geduld und nie enden wollende Liebe Gottes sehen, dann vermag unser Herz sich noch mehr zu Gott erheben. Unser Vater wendet sich nicht von uns ab und seine Liebe sucht alle Wege, den Sünder zur Umkehr zu bewegen. Dieser soll ob seiner Sünde nicht verzweifeln, und sei sie noch so ekelig und schmutzig. Gottes Liebe ist zu groß, als daß er den Sünder einfach sich selbst, den Konsequenzen seiner Sünde und somit dem Teufel überlassen würde. Das will sein Vaterherz nicht. Gott will sich nicht gegen sich selbst wenden (vgl. 2 Tim 2,13), denn er hat den Menschen aus Liebe geschaffen. So kann der Mensch, wenn er ernsthaft umkehrt und bereut, Gott sogar noch näher kommen, weil sein Herz noch tiefer aufgeschmolzen wird, wenn er echte Tränen der Reue hat.

Ein anderer geistlicher Lehrer hat uns ein sehr anschauliches und kräftiges Bild angeboten, wie man mit den Sünden und Gebrechen im Vertrauen auf Gott umgehen soll:

“Das Pferd macht den Mist im Stall, und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an sich hat, so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer Mühe auf das Feld, und daraus wächst sodann schöner Weizen und der edle, süße Wein, der niemals wüchse, wäre der Mist nicht da. Also trage deinen Mist – das sind deine Gebrechen, die du nicht abtun, ablegen noch überwinden kannst – mit Mühe und mit Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Es wächst ohne allen Zweifel in einer demütigen Gelassenheit köstliche, wohlschmeckende Frucht daraus. (Johannes Tauler)

Was kann uns dann noch passieren?