Hunger nach Gott

Joh 6,30-35

In jener Zeit sagte die Menge zu Jesus: Welches Zeichen tust du, damit wir es sehen und dir glauben? Was tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen. Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

Für den Menschen ist es nicht leicht zu begreifen, daß nicht die irdischen, sondern die geistigen Güter das Wichtigste in unserem Leben sind, besonders natürlich Gott selbst. Die irdischen Güter liegen doch so nahe und erfreuen unsere Sinne, während die geistigen Güter die tieferen Schichten unseres menschlichen Daseins ansprechen und nicht so einfach zugänglich sind.

Die Menge der Menschen wollte von Jesus ein Zeichen, das wie ein Beweis gelten und ihren Glauben hervorrufen sollte. Sie erinnerten Jesus an das Manna in der Wüste, das ihren Vätern die Gegenwart Gottes augenscheinlich gemacht hatte (vgl. Ex 16).

Jesus belehrt sie zunächst, dieses Zeichen richtig zu deuten. Wenn auch Mose der menschliche Vermittler war, so hat doch Gott selbst das Zeichen gewirkt. Ein wichtiger Hinweis des Herrn, denn entsprechend unserer menschlichen Neigung, vor allem die sinnenfälligen Dinge zu bemerken, kann es leicht geschehen, daß wir über dem Boten Gottes den vergessen, der ihn gesandt hat.

Gott aber gibt der Welt das Leben, in jederlei Hinsicht. Es ist unsere Blindheit, die das nicht wahrnimmt, obwohl Gott alle Wirklichkeit durchdringt; allerdings in der Regel eben nicht immer mit den Sinnen wahrnehmbar. Was für den Gläubigen jedoch selbstverständlich ist, das ist für den Ungläubigen oft nicht erkennbar. Und der Gläubige merkt vielleicht nicht immer, daß andere Menschen dieses Licht des Glaubens noch nicht kennen und für sie dunkel ist, was erst durch das Licht des Glaubens erhellt wird.

Ob die Zuhörer verstanden haben, was Jesus sagte, daß er das Brot des Lebens sei, also auf sich selbst verwies? War es für sie einfach nur ein Rätsel, eine Aussage, die für sie im Dunkeln blieb?

“Herr, gib uns immer dieses Brot!”  baten sie, und der Herr bot es ihnen in seiner Person mit der wunderbaren Verheißung an: “Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.”

Wie wahr das ist, wissen wir Katholiken, denn wer zum Glauben kommt und in eine lebendige Beziehung mit Gott eintritt, dessen tiefster Hunger und Durst nach Leben wird gestillt. Wir dürfen von beiden Tischen des Herrn speisen: von seinem lebendigen Wort und vom Tisch der Eucharistie. Die Väter sprachen sogar davon, daß dieses Wort »wiedergekaut« werden sollte, damit es immer tiefer in unsere Seele eindringen und sie befrieden kann. So werden wir vom Wort gesättigt, wie auch vom heiligen Brot der Eucharistie.

In uns Menschen lebt dieser Hunger nach Gott, nach dem wahren Leben. Es besteht die Gefahr, daß der Mensch diesen Hunger nicht mehr richtig wahrnimmt, wenn das irdische Leben ihm so viel andere »Sättigung« bietet. Unsere moderne Gesellschaft hält so viele Ersatzbefriedigungen bereit, sodaß der geistige Hunger verlorengehen kann.

Kardinal Sarah (der ehemalige Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst) beklagt zudem den Terror des Lärms, wodurch der Mensch kaum noch die Stille kennt, die dem geistigen Hunger leichter die Tür öffnet.

Doch auch in der heutigen Zeit hat Gott seine Wege, die Menschen zu finden, um ihnen das wahre Leben anzubieten. Wir sollten sie uns zeigen lassen und spüren, wann der Moment gekommen ist, sein Wort weiterzugeben. So wichtig es ist, sich um die Armen zu kümmern und mit ihnen die irdischen Güter zu teilen: noch wichtiger ist es, daß sie das Brot erhalten, welches ihre tiefste Sehnsucht stillt und die Unruhe im menschlichen Herzen befriedet, weil es wahrhaftig sättigt.

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