Ertragt und vergebt einander!

Kol 3, 2-17 – Lesung im Vetus Ordo am Fest der Heiligen Familie

Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist! Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen.

Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar! Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. In aller Weisheit belehrt und ermahnt einander! Singt Gott Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder in Dankbarkeit in euren Herzen! Alles, was ihr in Wort oder Werk tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Dankt Gott, dem Vater, durch ihn!

Dieser kurze Abschnitt aus der Lesung zum Fest der heiligen Familie ist voll von heilsamen Ermahnungen und Weisungen des Völkerapostels. Fast jeder Satz hätte eine eigene Betrachtung verdient, die uns helfen könnte, ein wahrhaft christliches Leben in der Nachfolge des Herrn zu führen. Der Apostel will die ihm anvertraute Herde auf den Weg der Heiligung führen, denn nur dann erstrahlt das christliche Leben im Glanz der göttlichen Güte und wird zu einem großen Licht in dieser Welt.

Schauen wir zunächst auf die Mahnung, uns gegenseitig zu vergeben.

Die Vergebung ist eine der schönsten Gaben, die wir uns als Menschen im Geiste des Herrn schenken können. Sie besteht darin, daß wir auch Anklagen aufgeben, die wir vielleicht im Herzen gegen den anderen Menschen haben und möglicherweise aufrechterhalten wollen. Solche Anklagen vermögen uns innerlich zu vergiften und verhindern ein Wachstum in der Liebe. Auch lassen sie den anderen Menschen nicht wirklich frei.

Wir sind eingeladen, in die göttliche Schule der Vergebung zu gehen, um die Vergebungsbereitschaft zu erlernen, denn der Herr selbst bietet uns ja grundsätzlich die Vergebung an. Das Kreuzesopfer ist geschehen und hat den Menschen aller Zeiten die Türe zum ewigen Leben, zur Vergebung der Schuld geöffnet. Wirksam wird dieses unendliche Geschenk aber erst dann, wenn wir es annehmen und so die Ströme der Liebe Gottes in unsere Seele einfließen lassen.

Das gilt auch dann, wenn wir einem Menschen tatsächlich etwas vorzuwerfen haben. Erst seine Einsicht und seine Bitte um Vergebung öffnen den Weg, damit diese Vergebung in ihrer Dimension der Liebe und Freiheit angenommen werden kann. Aber auch zuvor, wenn wir die Türe zur Versöhnung noch nicht geöffnet sehen, können wir unser Herz erziehen, damit von unserer Seite aus alles ausgeräumt wird, was der Vergebung im Wege steht. So bleibt unser Herz offen für einen Akt der Vergebung, und wir machen es dem anderen leichter, sich mit uns zu versöhnen.

So sehen wir es bei unserem Herrn, der immer bereit ist, seine erbarmende Liebe über uns auszugießen und nichts gegen uns zurückhält, wenn wir ihm in Demut nahen und ihn um Vergebung bitten.

Haben wir Schwierigkeiten, weil unser Herz vielleicht sehr verwundet ist durch das, was wir durch einen anderen Menschen erlitten haben, dann gilt es, diese innere Wunde und die vielleicht daraus folgende Blockade immer wieder zum Herrn zu tragen und den Heiligen Geist zu bitten, uns zu berühren und uns sein Licht zu schenken. Wenn wir das beharrlich tun, werden wir merken, wie sich Verhärtungen in uns aufzulösen beginnen und wir versöhnungsbereiter werden.

Der Apostel mahnt uns auch, unser Herz weit zu machen und einander zu ertragen. Das ist eine große Aufgabe, denn es bedeutet, unser Herz für die Liebe weit zu öffnen; gleichzeitig ist es auch eine innere Schule, unseren ersten Empfindungen und negativen Reaktionen nicht unmittelbar Raum zu geben.

Einen anderen Menschen zu ertragen, bedeutet aber sicher nicht, alles, was uns an wirklich Schwierigem durch ihn widerfährt – und was veränderbar wäre – sozusagen in uns hineinzufressen und damit unsere Seele zu einer Art Pulverfaß zu machen, das jederzeit explodieren kann. Dinge, die wir geistlich nicht verarbeitet haben, können uns innerlich krank machen und dauerhaft belasten. Es bedeutet also nicht, daß wir grundsätzlich darauf verzichten sollten, den anderen Menschen auf etwas aufmerksam zu machen, was er verändern könnte und was tatsächlich belastend ist. Nur sollte dies in brüderlicher Gesinnung geschehen, im Geiste einer sog. »correctio fraterna« (brüderliche Zurechtweisung).

Es geht also um das rechte Ertragen, das wir wiederum vom Herrn lernen können. Es bedeutet, in der Liebe zu wachsen und den anderen mit den Augen der Liebe zu sehen. Das »einander Ertragen« ist mit der Langmut verwandt, die eine Frucht des Heiligen Geistes ist. Wenn wir uns klar werden, wie sehr der Herr uns erträgt und daß er uns seine liebende Zuneigung niemals entzieht, dann werden wir verstehen, daß unser Herz geweitet werden muß. Allzu schnell entstehen negative Gefühle, die uns ungeduldig werden lassen gegenüber dem Nächsten. Dabei vergessen wir gerne, wie wir auch für andere Menschen eine Last sind, die sie zu tragen haben. Wenn wir konsequent in die Schule der Liebe des Herrn eintreten und den Heiligen Geist bitten, uns zu lehren, wie wir mit anderen Menschen umzugehen haben, dann wird uns der Heilige Geist sehr fein unterweisen, wann ein stilles Ertragen angebracht ist, wo wir uns in die Geduld einüben sollen, wie wir unsere inneren Spannungen auflösen können und wann eine Korrektur im Geist der Liebe angebracht ist.

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