Der Heilige Pfad der Fastenzeit | Tag 37: “Leid und Gelassenheit”

Es fehlen nur noch drei Tagen bis zum Palmsonntag, dem Beginn der Heiligen Woche, und damit steht das Ende unseres Heiligen Pfades der Fastenzeit nahe bevor. Die heutige Betrachtung möchte ich dem rechten Umgang mit dem Leid widmen, sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben auf unserem Weg der Nachfolge Christi. Dazu gibt es eine wertvolle Betrachtung von P. Gabriel O.C.D. in seinem Buch »Geheimnis der Gottesfreundschaft« (1.Band, Nr. 54, S. 447).

Das Geheimnis, wie man das rechte Verhältnis zum Leiden findet, besteht zum großen Teil darin, sich selbst vergessen und loslassen zu können, nicht an sich und sein Leiden zu denken, sondern die ganze Hingabe an Gott zu vollziehen. Wer sich mit seinem Leiden beschäftigt und seine Aufmerksamkeit darauf konzentriert, macht sich unfähig, es heiter und mutig zu ertragen. “Jeder Tag hat genug eigene Plage” (Mt 6,34), sagt Jesus. Bemühen wir uns also Tag für Tag, Augenblick um Augenblick, die Schmerzen und Leiden zu ertragen, die Gott uns auf den Weg legt, ohne an das zu denken, was wir gestern gelitten haben, und ohne uns Sorgen zu machen, was wir morgen vielleicht erleiden könnten.

Auch wenn das Leid heftig ist, wollen wir es nicht überschätzen und ihm nicht zu große Bedeutung beimessen. Geben wir nicht der ungesunden Neigung nach, unser eigenes Leiden zu verhätscheln! Halten wir uns nicht damit auf, es in all seinen Einzelheiten zu betrachten, zu zergliedern und abzuwägen. Auf solche Weise lähmen wir den Geist des Opfers und verlieren die Kraft, es anzunehmen und zu überwinden. Wer zu sehr mit dem eigenen Schmerzen beschäftigt ist, wird leicht unempfindlich und gleichgültig gegenüber den Leiden anderer.

Um gegen egoistische Tendenzen anzukämpfen, muß man aus sich selbst und dem Kreis des eigenen Leidens heraustreten und sich mit dem Leid anderer beschäftigen. Das Bemühen, ihnen zu helfen, ist ein überaus wirksames Mittel, um in Zeiten der Entmutigung die Kraft zu finden, das eigene Kreuz weiter zu tragen. Wir müssen immer daran denken, daß wir nicht die einzigen sind, die zu leiden haben. So groß unser Leid auch sein mag, es gibt es immer Menschen, die noch mehr Leid zu tragen haben. Unsere Leiden sind ein Tropfen im Meer der Schmerzen der ganzen Menschheit und so gut wie nichts im Vergleich zur Passion Jesu.

Wer sich zu viel mit dem eigenen Leid beschäftigt, verbittert im Schmerz, ertrinkt in ihm und läßt jeden hochherzigen Aufschwung verkümmern. Wer dagegen sich selbst zu vergessen weiß, bewahrt das Gleichgewicht und bleibt immer fähig, mehr an die anderen als an sich selbst zu denken. Er bleibt offen für die Liebe und Hochherzigkeit gegenüber Gott und dem Nächsten. Die selbstvergessene Seele weiß mit größtem Mut zu leiden und zieht den reichsten Gewinn für die eigene Heiligung daraus.

Trotz aller Anstrengung, über das Leiden hinauszuschreiten, die eigenen Schmerzen zu vergessen, können doch Augenblicke so tiefer Not, so dichter Finsternis kommen, daß die arme Seele nicht weiß, wie es weitergehen soll, besonders wenn der Horizont sich nicht erhellt, sondern immer dunkler und bedrohlicher wird. In diesem Fall bleibt nichts anderes übrig, als ins Dunkel hineinzuspringen und sich ganz den Händen Gottes zu überlassen. Wir sind so arm und schwach, daß wir stets einen Halt brauchen. Vergißt die Seele sich selbst und denkt nicht an sich, dann hat sie doch jemanden nötig, der sie stützt und der an sie denkt. Dieser Jemand ist Gott. Er vergißt uns nie, er kennt unser Leid bis auf den Grund, er weiß um unsere Bedürfnisse, er sieht unsere Schwachheit und ist immer bereit, denen zu helfen, die ihre Zuflucht zu ihm nehmen.

Sicherlich dürfen wir auch bei den Geschöpfen ein wenig Trost und Hilfe suchen, doch täuschen wir uns nicht: Sie werden uns nicht immer verstehen und können nicht dauernd für uns da sein. Wenden wir uns aber an Gott, dann werden wir niemals enttäuscht. Auch wenn er uns den Schmerz nicht wegnimmt und sich unsere Lage äußerlich nicht ändert, so wird er doch innerlich, wenn auch auf verborgene, schweigsame Weise, unser Herz trösten und uns die Kraft zum Weitergehen verleihen.

“Wirf deine Sorge auf den Herrn, er wird dich erhalten!” (Ps 55,23). Diese Haltung der Hingabe müssen wir uns in den Stunden des Leidens zu eigen machen. Je tiefer das Leid, desto mehr gilt es sich Gott zu überlassen, so werden wir nicht zugrunde gehen.

Es gibt so viele Seelen, die ihre Leiden übertreiben und dramatisieren, weil sie die Vaterhand Gottes nicht in ihnen zu sehen vermögen. Sie glauben nicht genug an seine göttliche Vorsehung und verstehen es deshalb nicht, sich ihr vertrauensvoll zu überlassen. Wenn unser Leben mit all seinen Umständen, auch den schmerzlichsten, nicht in Gottes Hand läge, hätten wir allen Grund, uns zu fürchten. Da aber alles in seinen Händen ruht, sollten wir weder Angst haben noch uns entsetzen. Die Seele, die Gottes gewiß ist und sich ihm überläßt, vermag auch im größten Leid ruhig zu bleiben, auch ein tragisches Geschehen in Einfalt anzunehmen, sie weiß gelassen und tapfer zu leiden, weil sie immer von Gott getragen ist.

Ein Hinweis: Ergänzend zu diesen Gedanken von P. Gabriel möchte ich noch auf meinen Vortrag in YouTube hinweisen über den Umgang mit Leid:

Link zur Betrachtung des Tagesevangeliums: https://elijamission.net/2021/03/26/

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