Katholische und orthodoxe Doktrin über Himmel und Hölle

Beantwortung von Fragen (Teil 3)

„Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen.“ (Joh 5,29)

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Es wurde – von einer Person aus China –  die Frage gestellt, worin der Unterschied zwischen katholischer und orthodoxer Lehre in Bezug auf Himmel und Hölle bestehe.

Zunächst ist festzuhalten, daß es in der orthodoxen Kirche m.W. keinen verbindlichen Katechismus für alle Gläubigen gibt. Die orthodoxe Kirche ist ja bekannterweise rechtlich in Nationalkirchen aufgegliedert, so mag es in der Beantwortung dieser Frage leichte Unterschiede innerhalb der Nationalkirchen geben, die aber kaum wesentlich sein dürften.

Zu diesem Fragenkomplex gehört auch das Thema „Fegefeuer“, also der Ort der Reinigung, was in der katholischen Kirche eine gesicherte Lehre ist, aber in der Orthodoxie nicht so gelehrt wird. Dies zeigt, daß es in der orthodoxen Lehre keine Möglichkeit gibt, nach dem Tode noch eine endgültige Reinigung zu erlangen.

Stattdessen glauben sie, daß nach der Wiederkunft Christi alle Menschen Christus in seinem ungeschaffenen Licht als ein „verzehrendes Feuer und strahlendes Licht“ sehen werden, was für die einen die Auferstehung zum Leben und für die anderen die Auferstehung zum Gericht und  zum Feuer bedeutet. Jeder wird das empfangen, was er gemäß seinen Voraussetzungen verdient.

Abgelehnt wird die Vorstellung, daß Himmel und Hölle einfach Belohnung und Verurteilung sind. Himmel und Hölle ist  demnach die Art und Weise wie ein jeder den Anblick Christi erlebt, entsprechend dem Zustand seines Herzens.

Himmel und Hölle sind nach orthodoxer Lehre eine ungeschaffene Realität, sie sind als verschiedene Zustände und daher nicht als zwei unterschiedliche Orte zu verstehen. Auch die Verdammten werden Gott als ein verzehrendes Feuer schauen, allerdings nicht in einem erleuchteten Zustand, so beschreiben sie es. Die Hölle wäre somit der Zustand eines Menschen, der sich weigerte, mit der göttlichen Gnade zusammenzuarbeiten, und demnach nicht zur “ erleuchteten Schau“ Gottes und zur bedingungslosen Liebe gelangt. Die Verdammten sind somit jene, die ein verstocktes Herz haben, die das Böse getan haben.

Der Zustand des Menschen (rein oder unrein, reumütig oder nicht reumütig) gibt also den Ausschlag, wie er Gottes Licht aufnimmt, als Himmel oder Hölle.

Die katholische Lehre ist in wesentlichen Punkten übereinstimmend, aber sie spricht nicht nur von einem Zustand, sondern in Bezug auf Himmel und Hölle auch von einer Art geistigem Ort.

Die schlimmste Pein der Hölle ist die ewige Trennung von Gott. Der Mensch schließt sich mit einem freien Entschluß selbst von Gott aus, indem er unbekehrt in der Todsünde verharrt. Es ist also nicht Gott, der von außen eine Strafe verhängt, sondern die Hölle ist letzte Auswirkung der Sünde, die nicht bereut wird. Der Mensch, der bis zum letzten Augenblick die Barmherzigkeit Gottes zurückweist, erleidet sie.

Ein wirklicher Unterschied zwischen der Lehre der Orthodoxie und der der katholischen Kirche besteht – wie eingangs erwähnt – in Bezug auf eine vorhandene Möglichkeit der Reinigung nach dem Tod. Diese tröstliche Perspektive, welche dem Menschen, der nicht vollständig auf die Liebe Gottes geantwortet hat, durch die Gnade Gottes und das Gebet der Kirche den Weg zur vollen Anschauung Gottes öffnet und ihn an der ewigen Seligkeit teilhaben läßt, existiert nicht in der orthodoxen Lehre. Hier nimmt der Mensch  – je nach seiner Antwort, welche er auf Christus gegeben hat – an der erleuchteten Schau Gottes in unterschiedlicher Weise teil.

Mit dieser Darlegung wollte ich eigentlich mit der Beantwortung von Fragen zu Ende kommen, aber die aktuelle Verbreitung des Coronavirus und entsprechende Auswirkungen haben einige aus unserem Hörerkreis veranlaßt, mich zu bitten, meine Sicht zur gegenwärtigen Krise zu äußern. Besonders geht es um die Frage der kirchlichen Maßnahmen in Bezug auf den Empfang der heiligen Kommunion. Morgen werde ich dazu Stellung nehmen.