Teil 2: Das öffentliche Leben
Nun beginnt die Mission der Heiligen Jeanne d´Arc an der Spitze der französischen Truppen.
Ihre bloße Anwesenheit versicherte den Soldaten und Offizieren, daß Gott konkret in die Notlage Frankreichs eingreifen würde. So gewannen die Bevölkerung und die Krieger ihren Mut wieder und glaubten an die Mission der Jungfrau.
Ihr Anblick war so ergreifend, daß viele Menschen in ihr einen Engel Gottes zu sehen glaubten.
Jeanne machte sich daran, das Heer der Franzosen in ein „Heer Gottes“ zu verwandeln: Sie duldete keine Gotteslästerung unter den Soldaten; vielmehr führte sie diese zur Beichte und zu den Sakramenten und verjagte die Dirnen, die den Truppen folgten. Priester begleiteten das Heer, feierten die Heilige Messe und hielten Prozessionen. Im Kampfe wurde nun das „Veni Creator Spiritus“ als Schlachthymne gesungen.
Um keine falschen Vorstellungen zu erwecken, muß klargestellt werden, daß Jeanne in keinster Weise vom Kriege besessen war; sie war auch nicht rachsüchtig oder blutrünstig. Ihr Wunsch war, daß die Engländer freiwillig nach England zurückkehren würden. Ein Beispiel für diese friedensliebende Haltung ist der Brief, den sie an den Herzog von Burgund schrieb:
Fürst von Burgund, ich bitte Euch, ich flehe Euch an und ersuche Euch in Demut, nicht weiter gegen das heilige Königreich Frankreich Krieg zu führen und sogleich ohne Verzug Eure Leute, die verschiedene Orte und Festungen des heiligen Königreichs besetzt halten, zurückzuziehen.
Ihr, Eure Leute und Untertanen: und Ihr sollt wissen, mit wieviel Truppen Ihr auch gegen uns zieht, Ihr werdet nie gewinnen, und es wäre schade um die Schlacht und das Blut derer, die sich gegen uns stellen …
Da die Feinde ihre Friedensangebote jedoch nicht annahmen, führte sie die Krieger in die Schlacht, in der festen Überzeugung, daß „die Menschen kämpfen; aber Gott allein den Sieg verleiht“. Von da an nahm die Situation in Frankreich eine Wende: Nun gewannen die französischen Truppen Schlacht um Schlacht, während die Engländer, welche die Jungfrau zunächst noch verhöhnt und verspottet hatten, immer mehr Angst bekamen. Jeanne hingegen, als empfindsames junges Mädchen, betete während der Kämpfe unter Tränen für die sterbenden Engländer.
Ihr bekanntester Erfolg im Krieg war die Befreiung von Orléans, einer Stadt, welche bereits unter englische Herrschaft gefallen war. In dieser Schlacht wurde sie, genau wie ihre „Stimmen“ es vorausgesagt hatten, von einem Pfeil verwundet; dennoch harrte sie auf dem Schlachtfeld aus und hielt das Banner mit den Namen Jesus und Maria fest unklammert in der Hand. Nach heftigen Kämpfen gelang es ihr, die Stadt zurückzuerobern, von welcher sie bis heute mit dem unsterblichen Titel „Jungfrau von Orléans“ gefeiert wird.
Dank der unerschrockenen Einsätze von Jeanne und ihrem Heer konnte der Dauphin Karl VII. schließlich nach Reims gebracht werden, wo er feierlich zum rechtmäßigen König von Frankreich gekrönt wurde:
Damit hatte Jeanne das erste ihrer Ziele in der ihr übertragenen Mission erreicht. Aber sie würde sich erst dann zufrieden geben, wenn sie die Engländer endgültig aus dem gesamten Lande vertrieben hätte. Doch begann nun der König, ihr die Unterstützung zu entziehen und unterließ es, ihr die versprochenen Truppen zu schicken. Jeanne bat ihren König inständig:
„Sire, jetzt ist die Zeit zu kämpfen! Wenn wir jetzt nicht die Gunst der Stunde nutzen, dann wird der Krieg noch lange dauern und viele Opfer kosten. Wir müssen weiterkämpfen, Sire. Ich flehe Euch an: Zögert nicht! Die Soldaten sind bereit! Haltet nicht so viel Rat, sondern wir müssen jetzt voranschreiten!“
Aber der König zog es vor, auf verräterische Berater zu hören, welche ihm Verhandlungen mit dem Feind vorschlugen, die jedoch letztendlich nur diesem Zeit gaben, wieder Kraft zu schöpfen und sich für die kommenden Schlachten besser zu rüsten.
Jeanne hörte nicht auf, ihn anzuflehen:
„Sire, Gott verachtet die Ruhe der Seelen, die Er für den Krieg bestimmt hat!“
Das nächste strategische Ziel der Jungfrau von Orléans war die Rückeroberung der Hauptstadt des Landes: Paris. Die Zeit war reif dazu: Das Heer war in guter Fassung, die Engländer und Burgunder waren erheblich geschwächt und fürchteten Jeanne, da sie genau wußten, daß sich die Kriegslage nur ihretwegen gewendet hatte.
Vorübergehend ließ sich der König überzeugen, den Angriff auf Paris zu unternehmen, aber im schwersten Moment des Kampfes – nachdem Jeanne verwundet worden war – ordnete der König gegen den Willen der Jungfrau den Rückzug an. Sie und ihre tapferen Männer fühlten sich verraten, doch blieb ihnen keine andere Wahl als zu gehorchen. Der König löste das bis dahin so erfolgreiche Heer auf, und der ganze Schwung der siegreichen Kämpfe kam zum Erliegen. Jeanne selbst entließ der König nicht aus seinem Dienst. Er betraute sie mit unbedeutenden kriegerischen Unterfangen, die ihrem Eifer, das ganze Land zu befreien, nicht entsprachen. Jeanne glich einem Adler im Käfig. Und in dieser Situation überbrachten ihr ihre „Stimmen“ eine schmerzliche Botschaft:
Katharina: Geliebte Tochter Gottes, hab‘ keine Furcht. Doch müssen wir Dir heute sagen, daß Du noch vor dem Tag des hl. Johannes des Täufers gefangen genommen wirst.
Jeanne: O, weh, in die Hände der Engländer! O, nein, wenn das geschieht, dann laßt mich lieber gleich sterben, ohne die lange Qual der Gefangenschaft
Katharina: Jeanne, Du mußt alles so hinnehmen, wie es kommt. Es muß jetzt so sein. Vertraue Deinem Herrn, vetraue Du, geliebte Jehanne, auch wenn es schwer ist!
Jeanne: Vor dem Johannistag! So bald schon! Katharina sagt mir doch die Stunde, wann es geschehen wird!
Katharina: Nimm alles so an, wie es der Herr geschehen läßt und vertraue ihm!
Jeanne: O, mein Gott, wie ist das schwer für mich! In die Hände meiner Feinde werde ich geraten! O, nein, muß das sein, liebster Herr? Wann wird es sein und wie wird es geschehen?
Liebster Jesus, was hast Du Dir für Deine Jehanne ausgedacht – lieber will ich doch sterben als von den Engländern gefangen sein!
Aber wenn es Dein Wille ist dann soll geschehen, was geschehen muß! (sie weint ein wenig)
Wovor sich Jeanne in ihrem Leben so sehr gefürchtet hatte, das trat ein: Sie wurde verraten. Während sie an einem Feldzug zur Unterstützung der Einwohner von Compiègne gegen die Burgunder beteiligt war, befahl der Hauptmann der Stadt, die Brücke hochzuziehen, so daß Jeanne den zahlreichen Feinden zur Beute fiel, die sie umzingelten und als Gefangene fortführten.
So fiel sie in die Hände der Feinde. Damit begann ihr schmerzhaftes Jahr als Gefangene, von ihren Feinden der Hexerei und Ketzerei angeklagt wurde.