275. Kleine Vaterbetrachtung
Nirgends können wir die Reinheit der Liebe so erfahren wie in der Begegnung mit Gott. Wir Menschen sind ja selbst der Liebe bedürftig und können ohne sie nicht leben. Das ist nicht etwa ein Mangel, sondern es ist die weise Beschaffenheit unseres Daseins. So empfangen wir Liebe, schenken sie anderen Menschen und dienen ihnen auf diesem Weg.
Gott ist jedoch die Liebe, die für sich selbst nichts braucht, die ganz vollkommen ist. Sie umfängt den Menschen als ein reiner Quell der Gnade. Im Vaterbüchlein heißt es:
“Seit der Erschaffung des Menschen habe ich keinen einzigen Moment aufgehört, bei ihm zu leben; als Schöpfer und Vater des Menschen spüre ich das Bedürfnis, ihn zu lieben. Nicht etwa, weil ich ihn brauche, nein, meine Liebe als Vater und Schöpfer läßt mich das Bedürfnis verspüren, den Menschen zu lieben. Also lebe ich beim Menschen, ich folge ihm überall hin, ich helfe ihm bei allem, ich ersetze ihm alles. Ich sehe, was er braucht, ich kenne seine Mühen und all seine Wünsche und mein größtes Glück ist, wenn ich ihm beistehen und ihn erlösen kann.”
Einer solchen Liebe zu begegnen führt uns in die ganze Freiheit der Kinder Gottes. Wir wissen, daß diese Liebe unverdient ist und uns immer umgibt. Gerade dieses Wissen führt uns aus der inneren Verkrampfung heraus, die Liebe “verdienen” zu müssen und wir können uns vertrauensvoll in die Arme Gottes fallen lassen. Wird uns dies dazu verführen, nachlässiger auf die Liebe Gottes zu antworten? Das sei fern! Im Gegenteil: Gerade diese Liebe kann uns erwecken, daß unsere Liebe selbstloser, freier, dauerhafter und somit zu einer “schönen Liebe” wird.