DER HEILIGE PFAD DER FASTENZEIT | Tag 25: “Erster Blick auf die Kontemplation”

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Verschiedentlich habe ich in den vergangenen Betrachtungen das kontemplative Gebet erwähnt. Wenn auch nicht alle Menschen die verschiedenen Stufen des kontemplativen Gebetes durchlaufen werden, so ist es doch gut zu wissen, um was es sich bei der Kontemplation bzw. dem kontemplativen Gebet handelt. Dabei möchte ich besonders dem gerecht werden, daß die meisten Menschen, welche meinen täglichen Ansprachen folgen, ja kein klösterliches Leben führen, welches ganz darauf ausgerichtet sein kann, die Kontemplation zu pflegen. Dennoch hoffe ich, daß manche dieser Gedanken über die Kontemplation nützlich sein können, um unser Leben und Gebet für Gottes Gegenwart noch empfänglicher zu machen.

Wenn wir das Leben mancher Heiliger betrachten, sehen wir, daß auf dem Boden eines kontemplativen Lebens auch sehr viele Tätigkeiten erwachsen sind, welche die Kontemplation nicht etwa geschwächt, sondern dem Tun seine besondere Prägung gegeben haben. Nehmen wir als Beispiel die heilige Teresa von Avila, welche eine kontemplative Seele schlechthin war, die aber in der Kraft des Herrn auch viele äußere Tätigkeiten verrichtet hat.

Wenn wir uns den Herrn selbst vor Augen stellen, dann sehen wir, daß es immer Zeiten gab, in denen er sich alleine zurückzog, um zu beten (vgl. z.B. Lk 5,26). Vor seinem öffentlichen Leben verbrachte er vierzig Tage allein in der Wüste (Mt 4,1-2). Es ist immer der beste Weg, am Beispiel von Jesus selbst Orientierung zu finden und es auf unsere Lebenssituation anzuwenden. Auch das Leben des Herrn war von intensiven Tätigkeiten mitbestimmt und nicht nur eine rein zurückgezogene kontemplative Lebensweise. Dabei hilft uns zusätzlich noch der Blick auf andere Menschen, in denen sich das Leben des Herrn auf verschiedene Weise widerspiegelte und die das äußerlich tätige Leben auf der Basis einer großen Innerlichkeit führten. Man wird genug Heilige finden, welche einen solchen Weg gegangen sind.

Wenn wir unseren Blick auf die Kontemplation richten wollen, stoßen wir zunächst auf die Meditation. Normalerweise geht der Kontemplation eine längere Phase des betrachtenden Gebetes voraus, und diesem viele Arten von mündlichem oder liturgischem Gebet. Die Kontemplation als »Versenkung in Gott« oder »Gottes direktes Einwirken in die Seele« kann vorbereitet werden, bis Gott selbst sich der Seele in einer besonderen geschenkhaften Weise erfahrbar macht.

Der Heilige Franz von Sales (1567–1622), ein einflußreicher geistlicher Autor und Ordensgründer, unterschied zwischen Meditation und Kontemplation. Bildhaft vergleicht er die Meditation mit den Bienen, die eifrig umherfliegen, um Nektar zu sammeln und die Kontemplation mit dem Genuß des Honigs im Bienenstock. Die Meditation bringt also Anstrengung mit sich, die Kontemplation ist mühelos und freudig.

Die Kontemplation ist eine intensive innere Wahrnehmung der Gegenwart Gottes. Anders ausgedrückt:  Gott selbst übernimmt spürbar die Führung unseres Lebens und durch den Heiligen Geist entfaltet sich das Leben der Gnade.

In der Kontemplation wird man mehr und mehr in einen innerlichen Menschen verwandelt, der sich weniger dadurch definiert, was er nach außen hin tut und leistet, sondern vielmehr in der Herzensliebe zu Gott erwacht ist und darauf achtet, diese zu pflegen. Er handelt weniger aus der eigenen Kraft, sondern folgt der Führung und den Impulsen des Heiligen Geistes, was das Leben – wie es der Heilige Franz von Sales treffend sagt – müheloser und freudiger macht.

Aus dem bisher Gesagten wird klar, daß die Kontemplation, die Gott nach seinem eigenen Belieben und in seiner Weisheit schenkt und von uns nicht durch eigene Anstrengungen erworben werden kann, in der Regel verschiedene Vorstufen braucht, die mit dem allgemeinen Weg der Nachfolge des Herrn und dem konkreten Weg der Heiligkeit zusammenhängen.

Wenn wir treu sind im Gebet, dann kann uns der Herr erste Stufen der Kontemplation und somit einen Vorgeschmack dieser Gebetsweise schenken. Um uns der Sprachwelt des Heiligen Franz von Sales zu bedienen, könnten wir ausrufen: Wer würde nicht gerne den Honig genießen, wenn der Nektar so mühsam gesammelt worden ist!

Halten wir für heute fest: Das kontemplative Gebet ist ein Geschenk Gottes. Wir können es nicht selbst erwerben, aber wir wirken vorbereitend daran mit, daß Gott es uns schenken kann.

Morgen fahren wir mit dem Thema durch einige ergänzende Gedanken fort.

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Link zur Meditation über die Lesung von heute: https://elijamission.net/2021/03/13/

Link zur Meditation des Tagesevangeliums: http://elijamission.net/2019/03/30/