DER STILLE SAMSTAG

296. Kleine Vaterbetrachtung

“Würde ich sagen: Finsternis soll mich verschlingen und das Licht um mich soll Nacht sein! Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag, wie das Licht wird die Finsternis. (Ps 139,8)

Nichts gibt es, was von dem Licht Gottes nicht erleuchtet werden kann.

Der »stille Samstag« vor Ostern steht unter dem Zeichen des Hinabsteigens des Gekreuzigten in das Reich des Todes, um jenen die Erlösung zu bringen, die noch nicht im ganzen Licht Gottes leben konnten, jene, die noch zu warten hatten, bis der Erlöser zu ihnen kam.

Niemand ist ausgeschlossen von der Gnade der Erlösung, welche unser himmlischer Vater allen Menschen in seinem Sohn anbietet. Weder die Menschen vor dem Kommen Jesu, noch die nach dem Kommen des Messias. Es schließt sich nur der aus, welcher die Erlösung durch Christus bei vollem Bewußtsein zurückweist. Und selbst dann ist das Licht Gottes nicht ausgeschlossen, denn nun wird er Zeugnis von der Gerechtigkeit Gottes geben. Auch diese ist ein helles Licht!

Wir können das Geheimnis des »stillen Samstag« ergänzend so deuten, daß der Herr auch in das »innere Reich des Todes« im Menschen hinabsteigt, dahin, wo es leer ist und die Gefahr der Sinnlosigkeit und Verlassenheit sich ausbreiten möchte.

Wenn unser Herr am Kreuz den Psalm 22 betet: “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? dürfen wir eine solche innere Dimension des »Reiches des Todes« einfügen und darum bitten, daß der Herr auch in unsere Tiefen hinabsteigen möge, um sie mit seinem Licht zu erleuchten.

Dieser Tag ist – wie immer – vom gnädigen Licht unseres Vaters umhüllt, auch wenn das Heilige Meßopfer an ihm nicht dargebracht wird. Wenn wir heute dieses Licht still in uns aufnehmen und unsere Tiefen berühren lassen, wird unsere Seele für den Jubel der Auferstehung unseres Herrn bereitet – für jenen Jubel, der nie enden wird!