288. Kleine Vaterbetrachtung
“Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der Herr nimmt mich auf.” (Ps 27,10)
Auch schwerstes menschliches Leid ist bei unserem Vater gut aufgehoben. Selbst wenn mich alle Menschen ablehnen und mit dem Finger auf mich zeigen, gilt das Wort: “Der Herr nimmt mich auf.”
So gibt es für uns Menschen immer einen Weg und man muß sich nicht dem Dunkel der Verlassenheit oder gar Verzweiflung überlassen. Der Herr verläßt uns nicht. Unser Vater steigt bis in die tiefsten Tiefen unserer irdischen Existenz hinab, um dem Menschen seine unauslöschliche Liebe zu versichern.
Wenn uns die Liturgie der Kirche in diesen Tagen zum Leiden des Gottessohnes hinführt, hören wir die Worte Jesu am Kreuz: “Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!” (Lk 23,34)
Was kann die göttliche Liebe noch mehr tun, als sich für die Erlösung der Menschheit am Kreuz zu schenken? Was kann ein Mensch noch tun, der mit schwerer Schuld beladen ist, die er nicht wiedergutmachen kann? Wohin soll er gehen?
Wir kennen die Antwort: Der Herr nimmt ihn auf, wenn er zu ihm aufbricht.
Gäbe es die Liebe Gottes nicht, was wäre der Mensch?
Gäbe es die Liebe Gottes nicht, wohin könnte er gehen?
Auch Vater und Mutter sind die Grenzen ihrer Geschöpflichkeit gesetzt; sie können fehlen. Der Weg zu unserem Vater jedoch steht immer offen.
Wer ihn beschreitet, geht niemals fehl. Keine Schuld könnte zu groß sein, als daß er sie nicht vergeben würde. Und der Weg zu unserem Vater ist nicht endlos weit! Ein kleiner Schritt nur, und ein Wort steigt aus dem Herzen auf: »Vater« – und die Liebe Gottes kann in unser Herz eindringen. Dann wissen wir es: Unser Vater hat auf uns gewartet.