Es fehlen nur noch drei Tagen bis zum Palmsonntag, dem Beginn der Heiligen Woche, und damit steht das Ende unseres Heiligen Pfades der Fastenzeit nahe bevor. Die heutige Betrachtung möchte ich dem rechten Umgang mit dem Leid widmen, was sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben auf unserem Weg der Nachfolge Christi ist. Dazu gibt es eine wertvolle Betrachtung von P. Gabriel O.C.D. in seinem Buch »Geheimnis der Gottesfreundschaft« (1.Band, Nr. 54, S. 447).
Das Geheimnis, wie man das rechte Verhältnis zum Leiden findet, besteht zum großen Teil darin, sich vergessen und loslassen zu können; nicht an sich und sein Leiden zu denken, sondern die ganze Hingabe an Gott zu vollziehen. Wer sich mit seinen Leiden beschäftigt und seine Aufmerksamkeit darauf konzentriert, macht sich unfähig, es heiter und mutig zu ertragen. “Jeder Tag hat genug eigene Plage” (Mt 6,34), sagt Jesus. Bemühen wir uns also Tag für Tag, von Augenblick zu Augenblick, die Schmerzen und Leiden zu ertragen, die Gott auf unseren Weg legt, ohne daran zu denken, was wir gestern gelitten haben und ohne uns darum zu sorgen, was wir morgen vielleicht zu leiden haben.
Auch wenn das Leid heftig ist, überschätzen wir es nicht und messen wir ihm nicht zu große Bedeutung bei! Geben wir nicht der ungesunden Neigung nach, unser eigenes Leiden zu hätscheln. Halten wir uns nicht damit auf, es zu beschauen, zu zergliedern und in all seinen Einzelheiten abzuwägen. Auf solche Weise würden wir den Geist des Opfers lähmen und die Kraft zur Annahme und Überwindung verlieren. Wer zu sehr mit seinen eigenen Schmerzen beschäftigt ist, wird gerne unempfindlich und gleichgültig gegenüber den Leiden anderer.
Um gegen ichsüchtige Tendenzen anzukämpfen, muß man aus sich selbst und dem Kreis des eigenen Leidens heraustreten und sich mit dem Leid anderer beschäftigen. Das Bemühen, ihnen zu helfen, ist ein überaus wirksames Mittel, um in Augenblicken der Entmutigung die Kraft zu finden, das eigene Kreuz weiterzutragen. Wir müssen immer daran denken, daß wir ja nicht die einzigen sind, die zu leiden haben. Sind unsere Leiden groß, so fehlt es doch nie an Menschen, die noch Leid zu tragen haben. Unsere Leiden sind ein Tropfen im Vergleich mit dem Meer der Schmerzen der ganzen Menschheit und so gut wie nichts gegenüber der Passion Jesu.
Wer sich zu viel mit dem eigenen Leid beschäftigt, verbittert im Schmerz, ertrinkt in ihm und läßt jeden hochherzigen Aufschwung verkümmern. Wer sich hingegen zu vergessen weiß, behält das Gleichgewicht und bleibt immer fähig, mehr an die anderen als an sich selbst zu denken. Er bleibt offen für die Liebe und Hochherzigkeit gegenüber Gott und dem Nächsten. Die selbstvergessene Seele weiß mit größtem Mut zu leiden und zieht den reichsten Gewinn für die eigene Heiligung daraus.
Trotz aller Anstrengungen, über das Leiden hinauszuschreiten, die eigenen Schmerzen zu vergessen, können doch Augenblicke so tiefer Not, so dichter Finsternis kommen, daß die arme Seele nicht weiß, wie es weitergehen soll, besonders wenn der Horizont sich nicht erhellt, sondern immer noch dunkler und drohender wird. In solchen Fällen bleibt nichts anderes übrig, als ins Dunkel hineinzuspringen und sich ganz den Händen Gottes zu überlassen. Wir sind so arm und schwach, daß wir stets einen Halt brauchen. Vergißt die Seele sich und denkt nicht an sich selbst, so hat sie doch jemand nötig, der sie stützt und der an sie denkt. Dieser jemand ist Gott. Er vergißt uns nie, er kennt unser Leid bis auf den Grund, weiß um unsere Bedürfnisse, sieht unsere Schwäche und ist immer bereit, denen zu helfen, die zu ihm ihre Zuflucht nehmen.
Wir dürfen gewiß auch bei den Geschöpfen ein wenig Trost und Hilfe suchen; doch täuschen wir uns nicht: Nicht immer werden sie uns verstehen und können nicht dauernd für uns da sein. Wenden wir uns aber an Gott, dann werden wir niemals enttäuscht. Auch wenn er uns den Schmerz nicht wegnimmt, sich unsere Lage äußerlich also nicht ändert, so wird er doch innerlich, wenn auch auf verborgene, schweigsame Weise, unser Herz trösten und uns die Kraft verleihen, weiterzugehen.
“Wirf deine Sorge auf den Herrn, er wird dich erhalten!” (Ps 55,23). Diese Haltung der Hingabe müssen wir uns in den Stunden des Leidens zu eigen machen. Je tiefer das Leid, umso vollständiger gilt es sich Gott zu überlassen; so werden wir nicht zugrunde gehen.
Es gibt so viele Seelen, die ihre Leiden übertreiben und dramatisieren, weil sie nicht die Vaterhand Gottes in ihnen zu sehen vermögen. Sie glauben nicht genug an seine göttliche Vorsehung, deshalb verstehen sie es nicht, sich ihr mit vollem Vertrauen zu überlassen. Würde unser Leben mit all seinen Umständen, auch den schmerzlichsten, nicht in Gottes Hand liegen, dann hätten wir allen Grund, uns zu fürchten. Da aber alles immer in seinen Händen ruht, sollen wir weder Angst haben noch uns entsetzen. Die Seele, die Gottes gewiß ist und sich ihm überläßt, vermag auch in größtem Leid ruhig zu bleiben, auch ein tragisches Geschehen in Einfalt anzunehmen, sie weiß gelassen und mutig zu leiden, da sie immer von Gott getragen ist.
Ein Hinweis: Ergänzend zu diesen Gedanken von P. Gabriel möchte ich noch auf meinen Vortrag in YouTube hinweisen über den Umgang mit Leid:
_________________________
Link zur Meditation über die Lesung von heute: https://elijamission.net/2019/04/11/