Gestern haben wir über die Tempelreinigung nachgedacht, zunächst in Bezug auf das Evangelium, dann auf unsere aktuelle Situation in Kirche und Welt angewandt. Am Ende sind wir dazu übergegangen, auf unseren »inneren Tempel« zu schauen, welcher auch der Reinigung bedarf.
Zu Beginn unseres »heiligen Pfades der Fastenzeit« hatte ich auf das Gebet des Heiligen Bruder Klaus verwiesen. Die erste der drei Bitten lautet: “Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir!” Es faßt zusammen, um was es auf dem Weg der Reinigung geht.
Im heutigen Evangelium (Mt 5,20-26 im Novus Ordo), sagt Jesus zu seinen Jüngern: “Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.” Dann zählt er einige Beispiele auf, wie diese größere Gerechtigkeit aussehen soll: “Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein.” (Mt 5,22)
Warum ist es so, daß der Herr von denen, die ihm nachfolgen, eine größere Gerechtigkeit als die der Pharisäer und Schriftgelehrten erwartet?
“Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen.” (Lk 12,48b)
Mit dem Kommen des Erlösers wurde uns Menschen eine viel größere Gnade als die des Alten Bundes angeboten. Deshalb sind auch die Anforderungen höher, dieser Gnade zu entsprechen. Anders ausgedrückt: Gott hat uns in seinem Sohn eine neue Qualität der Liebe gezeigt und geschenkt. Jetzt sind wir gerufen – als Menschen, die “aus dem Wasser und dem Geist geboren” (Joh 3,5) sind –, diese Liebe aufzunehmen, ihr zu entsprechen und sie in diese Welt zu tragen. Uns Christen ist viel gegeben; insbesondere dürfen die Katholiken aus den Schätzen der Gnade schöpfen, welche der Kirche anvertraut wurden.
Wenn wir nun diese »größere Gnade«, welche mit Jesus zu uns kam, auf den Prozeß der inneren Reinigung übertragen, dann können wir sagen, daß auch unsere Reinigung tiefer zu gehen hat. Wir sollen nicht nur die Gebote halten, sondern auch dahin gelangen, unsere Neigungen zum Bösen wahrzunehmen und sie mit der Gnade des Herrn zu bekämpfen.
Jesus lehrt uns, daß das Böse aus dem Herzen des Menschen kommt (Mt 15,19) und gleichzeitig gibt er in den Seligpreisungen die wunderbare Verheißung: “Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen” (Mt 5,8). Das zeigt uns, wie wichtig es ist, an unserem Herzen zu arbeiten, damit wir ein neues Herz bekommen und nicht Opfer unserer unguten Neigungen werden.
Auf einem Weg sinnvoller Askese gilt es, zunächst den Kampf gegen die sog. Laster anzugehen. Hier greife ich auch auf Ratschläge von Johannes Cassian zurück, einem Mönch und geistlichen Autor des vierten Jahrhunderts. Seine geistliche Lehre ist heute noch aktuell und manches davon kann auch von Christen adaptiert werden, die nicht im Kloster leben, sondern in der Welt ihren Dienst tun.
Werfen wir also einen Blick auf die Laster, welche unsere Seele verdunkeln. Heute wollen wir mit dem Kampf gegen die Gier beim Essen und Trinken beginnen.
Wenn Johannes Cassian über die Übung des Fastens spricht, weist er auf unterschiedliche Voraussetzungen hin und benennt dann das allgemeine Ziel:
“Das allen gemeinsame Ziel besteht darin, daß sich keiner übersättige. Denn nicht nur die feinschmeckerische Qualität der Speisen, auch ihre Menge stumpft die Kampfkraft des Herzens ab und facht, wenn der Geist zugleich mit dem Leib fett wird, den Zündstoff der schädlichen Leidenschaften an.”
Weiter heißt es: “Die Bedürfnisse der menschlichen Natur stehen der Reinheit des Herzens nicht entgegen, sofern man nur das beansprucht, was der Leib braucht und nicht, was die Begierde fordert.”
Es werden noch drei praktische Ratschläge gegeben, wie man der Gier beim Essen und Trinken Herr werden kann:
- Die Essenszeiten einhalten.
- Den Magen nicht vollstopfen.
- Keine Schlemmereien und Schleckereien. Extravagantes Essen meiden.
Der Heilige Paulus rät uns: “Laßt uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht! Vielmehr zieht den Herrn Jesus Christus an und sorgt nicht so für euren Leib, daß die Begierden erwachen.” (Röm 13,13-14)
Wir haben auf unserem heiligen Pfad bereits über das Fasten gesprochen und wollten es als »Brennholz« mit auf den Weg durch diese Fastenzeit nehmen. Jetzt kehrt das Thema im Kontext des allgemeinen Kampfes gegen die Gier zurück und nennt ein wichtiges Ziel der Enthaltsamkeit beim Essen und Trinken. Nach benediktinischer Tradition könnten wir auch den Begriff des »Maßhaltens« wählen: Die Kampfkraft des Herzens stumpft durch Unmäßigkeit im Essen und Trinken ab, während sie beim rechten Umgang mit der Nahrung und durch das Fasten gestärkt wird. Auf diesem Hintergrund wird auch das Wort des Herrn verständlicher, daß bestimmte Dämonen nur durch Fasten und Gebet ausgetrieben werden können (vgl. Mt 17,21).
Halten wir fest: Um tiefer in den Weg der Reinigung einzutreten, ist es sinnvoll zu lernen, wie wir den Kampf mit den Lastern in der Gnade Gottes bestehen können. Morgen fahren wir mit diesem Thema fort, denn die Zügelung unserer sinnlichen Laster wird uns auch helfen, mit den geistigen Lastern in rechter Weise umzugehen.
Link zur Meditation über die Lesung von heute: https://elijamission.net/2021/02/26/
Eine weitere Betrachtung des Tagesevangeliums: https://elijamission.net/2022/03/11/