Heute setze ich die Beantwortung von Fragen aus dem Hörerkreis fort, und wende mich einer kürzlich gestellten Frage zu, die sicherlich von allgemeinem Interesse ist:
Wie kann man das Gebet vertiefen?
Für uns Menschen ist der Wachstum und das Reifen in allen Sphären des Lebens wichtig. Das gilt besonders auch für das Gebet, welches ja die Seele unseres geistlichen Lebens ist. Ohne das Gebet kann sich der Glaube nicht vertiefen; man sollte also der Versuchung widerstehen, zu denken, daß man das Gebet durch Aktivitäten ersetzen kann.
Die hl. Teresa von Avila, eine Meisterin des inneren Lebens, sieht im Gebet das „große Gespräch mit Gott“. Und der hl. Paulus ruft uns zu, daß wir ohne Unterlaß beten sollen ( vgl. 1Thess 5,17). Nicht zuletzt gibt uns der Herr selbst das Beispiel des Gebetes, indem er sich zurückzieht um zu beten ( vgl. Lk 5,16).
Es gibt verschiedene Weisen des Gebetes. Eine davon, welche uns mehr in die Tiefe führen kann, ist die stille eucharistische Anbetung. Wir Katholiken wissen, daß damit primär die Anbetung des vor den Augen der Gläubigen ausgesetzten Allerheiligsten Sakramentes gemeint ist. Doch kann man diese Anbetung selbstverständlich auch vor dem geschlossenen Tabernakel in einer Kirche durchführen, wozu oft Gelegenheit sein müsste. Wichtig ist hierbei, dass wir wirklich die Stille suchen, denn diese ist ein wesentliches Element zur Vertiefung des Gebetes, hilft sie uns doch, zu lernen, mehr auf Gott zu hören, und weniger unsere eigenen Anliegen in den Vordergrund zu stellen.
Das trägt dann zur Vertiefung des geistlichen Lebens bei.
Um ein wenig den geistigen Geschmack für dieses vertiefte Gebet zu erwecken, greife ich auf einige Auszüge eines Vortrags von mir zurück, welcher die „eucharistische Anbetung“ behandelt:
Fast durchgängig ist das religiöse Leben der Christen sehr mit der Aktivität und mit emotionaler Erfahrung verbunden! Leider kommt der Moment der Stille in den kirchlichen Gemeinden normalerweise zu kurz! Selbst in der Heiligen Messe wird einem die Sammlung nicht selten durch ungeeignetes Liedgut, Verformungen durch den Einfluß der sog. Theologie der Befreiung, aber auch durch zu starke charismatische Elemente erschwert! Schwierig wird es besonders dann, wenn die Liturgie den Charakter eines Events annimmt!
Die Seele des Menschen braucht für ihre geistliche Entfaltung jedoch auch stille Momente! Sie leidet unter dem ständigen Einfluss verschiedenster Reize, die in die Zerstreuung und Peripherie führen! Sie braucht eine gesunde Askese, um sich jenen Mitteilungen zu öffnen, die ihr für den geistlichen Weg hilfreich sind, und um jene zu lassen, die ihr nicht helfen! Gott spricht seltener durch laute Ereignisse als durch jene Worte, die er uns im Schweigen mitteilt! Denken wir an den Propheten Elija, der Gott im Sturm erwartete, in Blitz, Donner und Getöse; dann aber merkte, daß der Herr wie in einem leisen Winde zu ihm kam, welcher uns an das Wirken des Heiligen Geistes erinnert! (vgl. 1 Kön 19,11-13)
Die stille eucharistische Anbetung lädt uns dazu ein, den Weg nach Innen zu gehen, ein neues Hören auf Gott zu lernen, Erlebtes vor Gott zu unterscheiden und zu verinnerlichen, sowie ein anderes Wahrnehmen von der Gegenwart Gottes zu erlangen! Sie ist wie eine Botschaft aus der Ewigkeit, wo man in der beständigen Anschauung Gottes lebt! Allerdings gibt es hier auf Erden einen entscheidenden Unterschied, der auf unserer Seite liegt: Noch erleben wir nicht die beseligende Schau Gottes; vielmehr leben wir im Glauben und leiden noch unter der Zerstreuung!
Die Stille vor dem Herrn ist ein geistiges Licht, welches wir noch nicht voll aufzunehmen vermögen! Deshalb kann es in diesem speziellen Gebet leicht passieren, dass wir unsere Unruhe oder gar Getriebenheit bemerken, unsere innere Lehre, bis hin zu Gefühlen der Sinnlosigkeit und Langeweile!
All das sollte man bewußt dem Herrn hinhalten und nicht weglaufen! Gott wird es berühren!
Wenn man regelmäßig an der eucharistischen Anbetung teilnimmt, wird man merken, daß ein Hunger danach wächst! Man spürt, daß die Seele eine Art neues oder auch vertieftes Zuhause findet! Sie ist da, wo sie hingehört. Ich erinnere daran, daß wir in der Ewigkeit Gott schauen werden!
Doch ist es wichtig, die Anbetung auch von Gott her zu betrachten! Er ist es, der uns einlädt und uns mit seiner Gegenwart beschenken möchte! Er ist es, der diesen innigen Kontakt mit der Seele sucht, um sie zu führen! Er ist es, der die Seele nach seinem Urbild formen möchte! So wird der anbetende Mensch zur Freude Gottes! Gott erfüllt ihn und befähigt ihn, seine Aufgabe in der Welt zu erfüllen! Und wo kann der Mensch mehr zuhause sein, als in der Liebe des Vaters? Auf diese Weise werden die Stunden der Anbetung zu einer immer tieferen Freundschaft mit Gott!
Wir werden ermutigt, den Weg der Heiligkeit entschiedener weiterzugehen! In der wachsenden Liebe zwischen unserem himmlischen Vater und uns, wächst auch der Mut, manches zurückzulassen, was uns daran hindert, Gott noch mehr zu gehören. Die Sicherheit der Liebe unseres Vaters, die sich in der eucharistischen Anbetung in uns einsenken kann, befähigt uns dazu, uns selbst loszulassen und uns vertrauensvoll in die Arme des Vaters zu begeben! Hier lernen wir, besser auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören, der uns lehrt, in der Liebe zu wachsen!
Wenn wir seine Stimme immer besser wahrnehmen, dann können sich die Gaben des Geistes entfalten. Sie sind es, die uns umwandeln und dem Herrn ähnlich machen! So ist die eucharistische Anbetung ein großes Licht auf unserem Weg der Nachfolge Christi, welches uns hilft, das zu verwirklichen, was der hl. Bruder Nikolaus von der Flüe über den Weg der Heiligkeit so treffend in diesem Gebete zusammengefasst hat:
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir!
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu Dir!
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir!