Das Gebet gehört mit zu den Herrlichkeiten, die wir schon auf der Erde genießen können, denn es ist eine Leiter, auf der Gott zu uns niedersteigt und wir zu ihm aufsteigen. Doch auch im Gebetsleben sind wir nicht frei von den Mühen unseres irdischen Daseins und erleben Störungen aller Art, die Gott aber in seiner Weisheit in den Dienst nimmt.
Gestern hörten wir schon von einigen dieser sog. Gebetsleiden, mit denen es die Gläubigen zu tun bekommen. Heute führen wir das Thema zu Ende.
Widerwillen gegen das Gebet:
Es kann bei einem intensiven Gebetsleben vorkommen, daß ein Widerwille aufkommt gegen das Gebet, gegen das Religiöse allgemein und gegen das Wort Gottes. Alles erscheint einem sinnlos! Das mag verschiedene Ursachen haben. Selbstverständlich ist auch der Teufel daran interessiert, uns von einem Wachstum auf dem geistlichen Weg abzubringen und arbeitet mit Einflüsterungen daran, durch die er auf die Gefühle und Gedanken einwirken will. Der Widerwille kann aber auch aus unserer menschlichen Natur kommen, die sich gegen die Forderungen des Glaubens auflehnt und auf irgendeiner Ebene sagt: “Ich will nicht mehr!”
Hier gilt es klug mit der Situation umzugehen und Gott einfach seine Liebe zu bekennen. Wir können ihm sagen, daß wir diese Empfindungen nicht wollen, auch wenn wir sie in uns bemerken. Hier müssen wir eine Unterscheidung ziehen: Wenn ich nicht mit meiner Freiheit in die negativen Gedanken und Empfindungen einstimme, mich vielmehr mit der Spitze meines Willens dagegen wehre, dann ist der Widerwille von mir nicht bejaht und kann auf diese Weise sein Zerstörungspotential nicht entfalten.
Es kann auch sein, daß ein Widerwille gegen eine bestimmte Form des Gebetes entsteht, z.B. gegen das mündliche Gebet. In diesem Fall ist es möglich, daß der Herr einen solchen Widerwillen zuläßt, damit wir eine mehr stille Gebetsweise suchen, die unsere Seele noch tiefer ergreifen kann.
Bleiben wir im Gebet und hören nicht etwa damit auf! Gott schaut auf das Elend der Seele, er ist in ihr und wird sie behüten. Wir dürfen dem Herrn ruhig sagen: “Herr, ich verstehe nichts mehr, aber Du kennst mich: Ich will Dir treu bleiben! Nimm mich einfach so, wie ich bin, mit meinem ganzen Widerwillen!” So können Krisen zum inneren Wachstum beitragen.
Die stumme Seele
Es kann einen Zustand geben, in dem die Seele wie nichts mehr zu sagen hat, sie kommt sich leer und ausgebrannt vor. Alles erscheint ihr fast unwahr, wie ein Geplapper ohne Sinn und Verstand. Sie denkt, sie kann nichts geben… Das ist ein sehr schmerzhafter Zustand und kann die Seele irritieren.
Doch von Gott her sieht die Situation anders aus. Gerade dann, wenn man sich selbst in einem subjektiv verlorenen Zustand befindet, trotzdem aber weiter Gott dient und das Gebet nicht vernachlässigt, schenkt man nicht etwas von sich, sondern man schenkt sich selbst. Die Seele mag schweigen, aber der Geist redet. Die Seele kann nichts mehr sagen, alles deucht ihr wie leeres unwahres Geplapper ohne Sinn und Verstand! Es ist, als schreie etwas in ihr auf und verwandle sich dort in Seufzen und Stöhnen, die Seele denkt, sie habe nichts zu geben. In Wirklichkeit schenkt sie sich aber selbst und läßt Gott walten.
Der stumme Gott
Es gehört auch zu den Gebetsleiden, manchmal keine Antwort von Gott zu bekommen. Das kann sehr schmerzhaft sein, gerade dann, wenn wir gewohnt waren, in einem sehr lebendigen Austausch mit Gott zu stehen und oft Gebetserhörungen erfahren haben. Nun ist es so, daß wir beten und uns auch von Gott verstanden wissen, aber es kommt keine Antwort. Ein schweigender, ein stummer Gott! Die Seele erfährt nun nicht mehr seine Gegenwart. Sie ist auf den reinen Glauben angewiesen, aber gerade dadurch wird sie gestärkt. Dieser Vorgang, daß wir uns nur noch auf den reinen Glauben und nicht mehr auf die innere Erfahrung stützen können, gehört übrigens zur »passiven Reinigung«, die wir später erläutern werden.
Halten wir in all den verschiedenen Krisen an unserem Gebetsleben fest, dann werden wir innerlich daran wachsen! So können wir Gott unsere Treue erweisen und fest glauben, daß er da ist, auch wenn wir ihn nicht spüren. Hier ist unser Vertrauen zu Gott angefragt.