Beantwortung von Fragen
Zusammenfassung der 1. Frage
Um die erste Frage zu Ende zu führen, wie man ein kontemplatives Leben auch unter normalen Lebensumständen führen kann, seien noch einmal einige Elemente wiederholt, welche helfen können, in eine kontemplative Grundhaltung hinein zu wachsen:
- Die verschiedenen Aufgaben und Verpflichtungen in der Welt als Arbeit im Reich Gottes für den Herrn zu tun.
- Den angemessenen Weg der Heiligkeit innerhalb des gegebenen Lebensumfeldes zu gehen.
- Eifersüchtig über regelmäßige Zeiten des Gebetes wachen und für diese Zeiten Unnötiges, Nebensächliches, Unwichtiges zurücklassen, um beim Herrn zu sein.
- Gebetsweisen suchen, welche leicht zur Verinnerlichung führen: Meditationen des Wortes Gottes, Betrachtung der Allgegenwart Gottes, Gottes Gegenwart im Herzen wahrnehmen (Franz von Sales), stille (eucharistische) Anbetung, Herzensgebet, Rosenkranz, den inneren Raum des Herzens bilden und dort oft einkehren.
- In eine lebendige und intime Beziehung mit dem Heiligen Geist eintreten und hörend lernen seine Führungen wahrzunehmen. Ihn um seinen Beistand auf dem Weg der Nachfolge Christi bitten.
- Allgemein der Führung folgen, um mehr ein hörender und empfangender Mensch zu werden als von der eigenen Aktivität getrieben zu sein. Auf diesem Weg kann man lernen, auch die Arbeit in einer mehr gesammelten Weise zu verrichten und der „Spur des Tages“ zu folgen, die von Gott gelegt ist.
- Das Herzensgebet z.B. kann uns helfen, auch während des Tages und der täglichen Arbeit kurze Stoßgebete zu verrichten, welche uns daran gewöhnen, unser Herz leichter und öfter zu Gott zu erheben. Diese Gebete können sozusagen immer gesprochen werden. Sie brauchen eine Zeit der Einübung.
All diese Punkte können uns helfen, eine kontemplative d.h. empfangende und beschauliche Weise des Betens und Lebens bereits im Vorfeld der Kontemplation zu verwirklichen. Gott selber wird dann die Seele an sich ziehen und die Führung in ihrem Leben immer stärker übernehmen.
Frage 2: Wie kann ich mich selber verleugnen?
Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. (Mk 8,34)
Mit dem Begriff „Selbstverleugnung“ ist gemeint, daß ich durch eigene Entscheidung und mit der Gnade Gottes all das ausräume, was dem Willen Gottes im Wege steht.
Das gehört wesentlich zum Weg der Nachfolge Christi, denn die Jüngerschaft des Herrn bedeutet ja, daß ich ihm in allem gleich werden möchte, um vollkommen wie der Vater im Himmel zu werden (vgl. Mt 5,48).
Dem steht nicht nur die Sünde im Weg, die uns von Gott trennt, sondern auch die vielen Auswirkungen der Sünde, schlechte Gewohnheiten, viele Wünsche und Vorstellungen, die ich habe – soweit sie nicht mit dem Willen Gottes übereinstimmen – und vieles mehr.
Die Selbstverleugung gehört zum täglichen Leben der Nachfolge Christi, weil meine eigenen Vorstellungen und auch die Wirklichkeit, in der ich lebe, häufig nicht mit meinen Wünschen übereinstimmen. In der Sprache der Mystik nennt man dies den Weg der Reinigung, der sowohl aktiven als auch passiven Charakter hat. Erst wenn bestimmte Reinigungen vollzogen sind und die Liebe zu Gott gewachsen ist, wird es leichter, all die Umstände anzunehmen, die Gott schickt oder zuläßt und darin seine Liebe zu entdecken.
Konkret heißt dies: Tag für Tag lernen, sich vom Geist des Herrn formen zu lassen.
Wenn ich z.B. merke, daß mein Verlangen nach den Dingen dieser Welt zu groß ist, d.h. ungeordnet, muß ich daran arbeiten, daß es überwunden wird. Wenn Umstände eintreten, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe, die aber gar nicht veränderbar sind, dann muß ich lernen, sie trotz inneren Widerwillens anzunehmen.
Die Selbstverleugnung ist eine Selbstüberwindung, das Glück nach unseren eigenen Maßstäben anzustreben und es mehr und mehr in der Erfüllung des Willens Gottes zu finden.
Das bedarf eines langen Weges, der bis zum Ende des Lebens geht, denn in unserem Leben ist die Selbstliebe besonders ausgeprägt. Das hängt damit zusammen, daß unsere Liebesfähigkeit stark auf das eigene Ich ausgerichtet ist, welche durch die Selbstverleugnung dann auf Gott ausgerichtet wird. Wenn uns dies klar wird, dann ist jeder Tag eine Schule der Liebe, und die Selbstverleugnung wird uns mit der Zeit sogar ein inneres geistliches Bedürfnis, weil wir so in der Liebe wachsen können.
Allerdings ist darauf zu achten, daß nicht ungesunde psychische Momente sich mit der Selbstverleugnung mischen und man meint, daß jede Art von natürlicher Lebensfreude der Nachfolge Christi im Wege steht. Sonst kann es zu Verzerrungen kommen.
Deshalb ist zu beachten, daß es darum geht, die ungeordnete Liebe zu überwinden; also jene Dinge, die zuviel sind, die unsere Seele schwächen, die auf unseren Selbstgenuß ausgerichtet sind, die uns in Abhängigkeiten und ungeordneten Bindungen festhalten wollen.