NUR WENIG GERINGER ALS GOTT

398. Kleine Vaterbetrachtung

“Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.” (Ps 8,5-6)

Warum hat unser Vater den Menschen geschaffen? Er, der sich selbst völlig genügt, dem nichts mangelt, der vollkommen ist und keiner Entwicklung bedarf…

Es gibt keinen anderen Grund als das Geheimnis der Liebe, das Gott bewegt hat, die Schöpfung ins Leben zu rufen und mit ihr den Menschen. Das ist eine Feststellung von unauslotbarer Tiefe, denn diese Liebe durchzieht all die sichtbaren Werke Gottes.

Wenn wir uns in die Natur versenken und ihre unglaubliche Vielfalt wahrnehmen, wenn uns das Staunen ob ihrer Schönheit erfaßt, wenn wir die Zärtlichkeit und Sorgfalt erspüren, mit der unser himmlischer Vater alles ins Dasein rief, dann kommt uns dieses wunderbare Psalmwort in den Sinn:

“Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst?”

Noch herrlicher als alles, was wir mit den Sinnen wahrnehmen können, ist der Mensch, denn ihn hat Gott nach seinem Bilde geformt (Gen 1,27).

Vor einigen Tagen haben wir vernommen, wie der Heilige Augustinus auf seiner Suche nach Gott die Elemente befragte und zur Antwort bekam, daß sie nicht Gott sind, sondern daß Gott sie geschaffen hat.

Wenn nun die Menschen auf der Suche nach Gott das Wesen des Menschen zu verstehen und zu erforschen suchen, wenn sie seine Schönheit und die Vielfalt seiner Gaben entdecken, dann kann man in gleicher Weise sagen: Der Mensch ist nicht Gott, aber Gott hat ihn erschaffen und hat ihn nur wenig geringer gemacht als sich selbst. Welche Gnade!