MEIN GOTT, WARUM HAST MICH VERLASSEN?

358. Kleine Vaterbetrachtung

“Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?” (Ps 22,2)

Es sind die Worte aus Psalm 22, welche Jesus am Kreuz kurz vor seinem Tod spricht.

Nie hat unser Vater ihn je verlassen. Da aber Jesus die Sünde dieser Welt ans Kreuz trug, hat ihn Gott die ganze Last der Gottferne spüren lassen – den entsetzlichen inneren Zustand, von der Liebe ausgeschlossen zu sein – vom wahren Leben abgeschnitten, “wie zu den Toten hinweggerafft (Ps 88,6).

Jesus konnte das nur ertragen, weil seine Liebe zum Vater und zu uns so groß war. Der Trostlosigkeit und Finsternis der Sünde steht also die Unbedingtheit der göttlichen Liebe des Erlösers gegenüber. Sie ist es, die uns rettet! Jesus bleibt seinem Vater und seiner Aufgabe treu bis in den Tod.

So kann unser Vater diese ungeheure Last in seinem Sohn für uns tragen. Nur Er, der Sündenlose, konnte uns retten. Nur die Liebe des Vaters, die in seinem Sohn bis zum Äußersten ging, konnte das ungeheure Dunkel durchstoßen und es in helles Licht verwandeln.

So bleibt dieses Wort des Herrn am Kreuz nicht allein. Es wird überstrahlt vom letzten Wort des Erlösers: “Es ist vollbracht!” (Joh 19,30)

Jesus ist mit Blick auf den Vater durch diese Dunkelheit hindurchgegangen und hat uns dem Fürsten der Finsternis entrissen. Seine Liebe ist größer als aller Haß, mächtiger als alle Reiche der Bosheit, heller als tausend Sonnen.

Gerade am Kreuz – in der größten Dunkelheit – leuchtet die Liebe unseres Vaters in seinem Sohn so hell auf, daß alle geblendet werden, deren Herz sich vor der Liebe verschließt, bis sie das Erbarmen des Erlösers doch noch erreicht.