Durch das Geschenk des Glaubens wird die wahre transzendente Bestimmung des Menschen wieder erweckt. Das Wort Gottes nährt ihn täglich, erleuchtet seinen Verstand und vertreibt die Finsternis der Unwissenheit und des Irrtums.
Doch all dies kann erst dann in der Tiefe wirksam werden, wenn wir die Schuld vergeben bekommen, die das Leben des Menschen belastet und die Beziehung zu Gott verdunkelt.
Gott bietet dem Menschen durch Tod und Auferstehung seines Sohnes die Vergebung seiner Schuld an. Es ist ein Akt der unendlichen Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die Schuld des Menschen auf sich zu nehmen und ihn so wieder aufzurichten.
In der Vergebung begegnen wir Gott insbesondere als dem liebenden Vater. Gott vergibt nicht etwa nur geringe Verfehlungen, sondern er vergibt auch schwere Schuld. Der durch die Schuld belastete Mensch darf sich wieder aufrichten und lernt, frei zu atmen.
Gerade die Erfahrung der liebenden Gegenwart Gottes in der Vergebung korrigiert das verzerrte Bild Gottes, welches der Mensch nicht selten in sich trägt. Durch die Vergebung verliert die Angst vor Gott und gewinnt das Vertrauen in ihn zurück.
Gerade der Verlust des selbstverständlichen Vertrauens zu Gott ist eine schwere Störung für ein heiles und gesundes Lebens. Der Mensch verkrampft sich in sich selbst und baut unnötige Mauern und Schutzwälle um seine Seele. Es ist nicht jene notwendige und kluge Abwehr gegen feindselige Kräfte aller Art, welche in dieser Welt nötig ist, sondern es sind unbewußte Vorgänge und Verschließungen, welche die Seele auch vor dem Licht Gottes verschlossen hält.
Mit der Erfahrung der Vergebung wächst im Menschen eine größere Verantwortung. Es wird ihm die zerstörende Kraft der Sünde bewußter, und nun lernt er umso tiefer die Barmherzigkeit Gottes kennen. Er versteht immer mehr, daß er mit der Sünde die Liebe Gottes zurückweist und nimmt umso demütiger und zerknirschter Zuflucht zum heiligen Sakrament der Buße. Die Vergebung, die er dann empfängt, erlebt der Mensch als einen Akt der unverdienten Befreiung und Stärkung, welche in seinem Herzen große Dankbarkeit erweckt. Diese Dankbarkeit ruft ihn, noch mehr darauf zu achten, die Sünde zu meiden und all das anzustreben, was Gott wohlgefällt.
Es tritt nun ein tiefer Heilungsprozeß ein, denn der Mensch übernimmt jetzt Verantwortung in einem metaphysischen Sinn, nämlich für sein gesamtes Leben vor Gott. Er begreift schmerzlich, daß jede Sünde die Liebesbeziehung zu seinem barmherzigen Vater mindert und daß dies sowohl Auswirkungen auf seine Seele hat als auch auf die Liebesfähigkeit anderen Menschen gegenüber. Umgekehrt wird ihm bewußt, daß das Licht Gottes auf dem Weg der Heiligung in ihm stärker wird.
Auf diesem Weg wacht der Mensch immer mehr zu der ihm von Gott geschenkten Bestimmung auf, und dies schenkt ihm einen tiefen Frieden. Die nun erweckte Gottesbeziehung wird das große Thema des Lebens, und die Neigung zur Flüchtigkeit und Zerstreuung der Seele mindert sich immer mehr.
Der Mensch stellt sich nun bewußter dem Leben mit seiner Herausforderung. Die Seele schaut über sich selbst hinaus und sieht mit großer Klarheit die vielen Menschen, welche Gott noch nicht erkennen und so oft noch in ihren Sünden leben.
Es schmerzt sie, doch gleichzeitig wird das Wissen um die Barmherzigkeit Gottes und seine Vergebungsbereitschaft zum Antrieb, anderen Menschen das Evangelium zu verkünden. Die Dringlichkeit wird umso stärker, je mehr die Seele ihre eigene Neigung zur Sünde und ihre Schwäche wahrnimmt und Gottes liebende Suche nach seinen Kindern versteht.
Die Vergebung, welche die Seele von Gott empfangen hat, wird nun nach dem Wort des Herrn zu einer heiligen Verpflichtung, auch anderen Menschen zu vergeben. So wie Gott unser Schuldkonto durch das Opfer seines Sohnes löscht (vgl. Kol 2,14), so sollen die Menschen nun auch jenen vergeben, die an ihnen schuldig geworden sind.
Hier geschieht nun eine weitere Gesundung der Seele!
Nun kann sie den Weg finden, der sie aus dem Zustand der Anklage gegen eine andere Person herausführt, einer Anklage, welche sie an die andere Person negativ bindet. Es ist also nicht nur die Last weggenommen, welche wir selbst durch unsere eigene Gottesferne zu tragen hatten, sondern auch die Bindung an einen Geist der Anklage gegenüber anderen Menschen, der uns die Freiheit raubt und immer wieder sein Gift in unsere Seele verstreut.
Hinzu kommt, daß wir dem anderen Menschen durch unsere Vergebung die Türe zur Freiheit öffnen und von seiner Seele jene Last nehmen, die ihn in unserer Anklage an uns bindet. Es öffnet sich nun die Dimension der Heilung der Beziehung zwischen den Menschen, denn dort, wo noch unvergebene Schuld und Anklage die Beziehung unter den Menschen belastet, entsteht nicht die notwendige Freiheit und somit auch nicht eine tiefere Heilung der Seele.
Wir sehen, wie Gott mit dem Werk der Heilung unserer eigenen Seele zugleich auch die anderen Menschen in den Blick nimmt, denn der Mensch lebt nicht allein und die Liebe und Vergebung des Herrn soll allen Menschen verkündet werden.
So wie Gott die Seinen liebt, sind auch wir gerufen, die anderen Menschen zu lieben (vgl. Joh 13,34). Gott schenkt also – indem er die Seele, die sich dem Glauben öffnet und in den umfassenden Prozess der Heilung eintritt – die Gnade, zu lernen, so zu lieben wie er selbst liebt.
Die Vergebung durch Gott, welche uns fähig macht, auch anderen zu vergeben, ist ein Schlüssel für die Heilung der Seele und eine Heilsbotschaft für alle Menschen.
Gott will vergeben; er will den Menschen ihre Sünden nicht anrechnen, er möchte seine Kinder nicht der Dunkelheit der Sünde ausgeliefert wissen, sondern möchte sie heilen.
Gottes Herz steht weit für uns offen. Wir dürfen im Vertrauen zu ihm kommen und Vergebung empfangen.