“Die Menschenfurcht”
Besonders für die heutige Zeit hat diese Betrachtung eine große Wichtigkeit, denn die Menschenfurcht scheint sogar bis in die Kirche eingezogen zu sein. Man hört immer weniger jene Stimmen, die noch klar die katholische Wahrheit verkünden, Sünde auch Sünde nennen, den Menschen die Dimension des letzten Gerichtes vor Augen stellen, das rechte Verständnis von der Barmherzigkeit lehren und die Menschen daran erinnern, daß die Zeit auf der Erde für jeden Menschen einmal zu Ende geht und wir gerufen sind, unser Leben so fruchtbar wie möglich zu gestalten.
Die Botschaft des Evangeliums steht häufig im Gegensatz zu den geistigen Strömungen in der Welt, und wenn die Berufenen von der Menschenfurcht angekränkelt sind, dann wird die Verkündigung „entschärft“ und jede Herausforderung, sein Leben zu ändern und mehr nach Gott auszurichten, tritt leicht in den Hintergrund. Das mag von Gegend zu Gegend verschieden sein und auch unterschiedlich intensiv, doch ist der allgemeine Trend spürbar, die Botschaft der Kirche immer mehr dem Zeitgeist anzupassen und somit ihre Salzkraft zu verlieren.
Es ist zu beklagen, daß sich so wenig Stimmen innerhalb der Kirche zu Wort melden, um auf die Konfusion aufmerksam zu machen, welche in unserer Kirche um sich gegriffen hat. Wahrscheinlich ist die Menschenfurcht ein wesentlicher Grund dafür.
Umso wichtiger ist es, sich mit der Menschenfurcht zu beschäftigen, sie wahrzunehmen und zu überwinden, damit wir nicht eines Tages vor dem Herrn stehen, und er uns fragen wird, warum wir nicht das Zeugnis abgelegt haben, welches uns aufgetragen war.
Bei der Menschenfurcht handelt es sich um eine starke Abhängigkeit von Menschen! Sie verbindet sich leicht mit einer falschen Nachgiebigkeit, und ist zudem noch häufig an ein falsches Mitleid gekoppelt! Man macht sich sehr vom Urteil anderer Menschen abhängig, oder sogar von einem vermeintlichen Urteil, d.h. wir vermuten, was der andere Mensch über uns denkt. Auf diesem Weg kommen wir schon leicht in eine Unfreiheit.
Der andere Mensch nimmt für uns eine zu große Wichtigkeit ein, die aber, genauer hingeschaut, im tiefsten eine Art Ichkrampf ist! Man will dem anderen gefallen und ist in Gefahr, eine Art falscher Harmonie zu suchen. Man hält es nicht aus, im Urteil anderer Menschen nicht gut dazustehen; in der Folge kann es leicht geschehen, daß man sogar sein eigentliches Wesen verstellt. Es können leicht jene Schwierigkeiten entstehen, die Wahrheit zu bekennen, von denen ich schon weiter oben sprach: nämlich dann, wenn ein solches Bekenntnis Unannehmlichkeiten und Nachteile in Bezug auf andere Menschen mit sich bringt oder wenn es der Richtung des Zeitgeistes widerspricht.
Es ist sehr wichtig, daß wir diese Form der Unfreiheit zu überwinden suchen, denn sie verformt – wie die Unfreiheiten, die wir zuvor betrachtet haben – die Klarheit unseres Wesens. Wir haben dann nicht den letzten Anker in Christus, sondern all diesen Formen von Unfreiheit ist zu eigen, daß man zu stark auf das eigene Ich bezogen ist und daher den Blick auf Gott verliert!
Somit wird auch der Weg der Überwindung aufgezeigt! Es gilt, die Ichbezogenheit zu überwinden und konsequent auf Gott zu schauen, und immer Gott zu fragen, was die rechte Antwort auf die gegebene Situation ist. Der zu schnelle Blick auf die anderen Menschen beeinträchtig unsere Freiheit erheblich. Das wird noch einmal gesteigert, wenn wir uns in die Menschen zu rasch hineindenken, bevor wir überhaupt die Situation sachlich für uns geklärt haben.
Ein solches Verhalten kann uns natürlich schon lange begleiten und wir merken es gar nicht richtig. Es sind vielleicht besonders Frauen gefährdet, welche die positive Gabe haben, z.B. das Befinden ihres Kindes wahrzunehmen, sich leichter in andere Menschen hineinversetzen zu können, was eigentlich eine wertvolle Einfühlsamkeit in die Belange des anderen Menschen darstellt. Diese gute Eigenschaft wird aber dann verfälscht, wenn sie von der Menschenfurcht durchzogen und nicht mehr rein auf das Wohl des anderen Menschen ausgerichtet ist. Umso wichtiger ist es, daß die Menschenfurcht überwunden wird.
Es gibt noch weitere Unfreiheiten, welche den Ausdruck unseres Christseins schmälern. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zurückkommen.
Zusammenfassend für die letzten drei Meditationen gilt:
Allein Gottes Urteil ist entscheidend! Alles, was ich sage und tue, ist primär vor Gott wichtig! Dann erst kommt der Blick auf die Menschen! Dies muß besonders bei Menschen mit ausgeprägter Menschenfurcht das Grundthema sein! Alles sollten wir mit Blick auf Gott und im Gespräch mit ihm tun! Das führt aus der Knechtschaft der Menschenfurcht in die Freiheit der Kinder Gottes!