1 Sam 1,4-8
Hanna betete. Sie sagte: Mein Herz ist voll Freude über den Herrn, große Kraft gibt mir der Herr. Weit öffnet sich mein Mund gegen meine Feinde; denn ich freue mich über deine Hilfe. Der Bogen der Helden wird zerbrochen, die Wankenden aber gürten sich mit Kraft. Die Satten verdingen sich um Brot, doch die Hungrigen können feiern für immer. Die Unfruchtbare bekommt sieben Kinder, doch die Kinderreiche welkt dahin. Der Herr macht tot und lebendig, er führt zum Totenreich hinab und führt auch herauf.
Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt und er erhöht. Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu. Ja, dem Herrn gehören die Pfeiler der Erde; auf sie hat er den Erdkreis gegründet.
Im Magnificat, welches im heutigen Evangelium als Lobpreis der Gottesmutter erklingt, erkennen wir, wie alle Werte allein im Lichte Gottes ihre wahre Bedeutung besitzen. Wir Menschen sind allzu leicht in der Gefahr, primär bürgerlich-menschliche Werte anzustreben und sie nicht im Lichte Gottes zu überprüfen! Ein solcher Text wie das Magnificat zeigt uns jedoch das Handeln Gottes in einem anderen Licht, und der Lobpreis der Hanna kommt aus der Freude am Herrn, daß der Herr so anders handelt.
Vielleicht ist es uns nicht immer bewußt, daß ein Handeln im Geist des Evangeliums eine wirkliche Umkehr von vielen Gewohnheiten bedeutet, die nicht im Einklang mit Gott stehen. Auch die konsequente Befolgung eines geistlichen Weges hat andere Kriterien, als wir sie von unserer gefallenen Natur her gewohnt sind!
„Der Bogen der Helden wird zerbrochen, die Wankenden aber gürten sich mit Kraft.“
Unschwer ist zu erkennen, daß der Herr hier die Unterlegenen stützt, „die Armen im Geiste“ wie es im Evangelium heißt (vrgl. Mt 5,3). Die Helden, die hier angesprochen werden sind diejenigen, die aus ihrer eigenen Kraft leben, deren Heldentaten zwar vor der Welt gelten, aber vor Gott nicht zählen, wenn sie nicht mit den wahren Werten Gottes in Verbindung stehen. Es geht wieder darum, daß der Mensch begreifen muß, daß er nicht aus sich selbst stark ist, sondern alles von Gott empfängt, und daß er gerufen ist, dankbar in seinem Dienst zu stehen. Jede Überhöhung der eigenen Gaben, seien sie physischer oder geistiger Art, verbindet latent mit der Versuchung, wie Gott sein zu wollen.
Die Schwankenden hingegen, die sich ihrer Schwäche bewußt sind, werden nach Gott rufen und seine Hilfe dankbar annehmen. Sie befinden sich in einem Zustand, der näher bei Gott ist und es Gott erlaubt, sich ihnen zu zeigen, als jene, die auf die eigene Kraft vertrauen und meinen, Gott nicht zu benötigen! Geistlich gesehen leben die Wankenden in einer größeren Realität als die Helden, die im Grunde genommen verblendet sind!
„Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu.“
Ein ähnliches Thema, hier noch ausgeweitet. Der Herr ehrt den Armen und gesellt ihn den Edlen zu. Ähnliches dürfen wir ja auch erwarten. Wir armen Menschen, die so schwach und versuchbar sind, werden vom König des Himmels zu Tisch geladen. Das geschieht ja schon in der heiligen Messe. Alle Katholiken im Stand der Gnade sind gerufen – egal aus welcher Schicht sie kommen – Gäste beim Hochzeitsmahl des Lammes zu sein. Niemand wird bevorzugt, jeder erhält dieselbe himmlische Speise! Und wir sehen: Oft sind es auch die ärmeren, einfacheren Menschen, welche nach der Speise der Engel verlangen und die sicher auch wahrnehmen, wie sehr sie diese Unterstützung des Herrn auf ihrem Weg brauchen!
Wie umfassend und herrlich wird dies erst in der Ewigkeit sein, wenn wir Gott schauen, wie er ist, und Gemeinschaft mit ihm und allen Engeln haben werden, und wir unseren Platz bei den Heiligen zugewiesen bekommen!
Ja, das Reich Gottes hat andere Kriterien! Die Prophetin Hanna dankt dem Herrn für all die Kraft, welche er ihr gibt für ihr ganz auf ihn hin geordnetes Leben!
Auch für jene Frauen, die keine Kinder haben, hat der Herr einen Trost. Für eine Israelitin war dies damals ein großer Mangel. Doch der Herr vermag aus dem Mangel einen Gewinn zu machen!
Wir können an die Ordensfrauen denken, welche um des Himmelreiches willen nicht die Freuden der Mutterschaft erleben. Doch kann ihr Leben ungemein fruchtbar werden und sie können viele geistliche Kinder bekommen. Heute allerdings wird man das selbst in der katholischen Welt immer weniger verstehen, und der Kinderreichtum ist in manchen Gesellschaften schon gar kein Wert mehr!
Die Dankbarkeit und Freude am Herrn durchziehen dieses Gebet, ja, das Frohlocken, daß Gott sich als „der Andere“ zeigt, aber doch auch gleichzeitig so nahe ist! Damit gibt uns die Prophetin Hanna eine geistliche Struktur eines fruchtbaren Gebetes vor: Die Taten Gottes in der rechten Weise zu preisen und sich – wie die Gottesmutter – immer daran zu erinnern, was der Herr Großes an uns und allen Menschen getan hat und tut!