416. Kleine Vaterbetrachtung
“Wenn ich mit offenen Augen betrachte, was Du, mein Gott, geschaffen hast, besitze ich hier schon den Himmel.” (Heilige Hildegard von Bingen)
Wir brauchen Augen, um zu sehen, und Ohren, um zu hören. (vgl. Mt 13,16)
Werden sie uns aufgetan, dann beginnen sie die Herrlichkeit Gottes wahrzunehmen. Überall sehen sie die Liebe des Vaters am Werk: sei es, um uns unmittelbar mit seiner Liebe bekannt zu machen; sei es, um uns verschwenderisch mit Schönem zu beschenken; sei es, um Krankes zu heilen; sei es, um Böses von uns abzuhalten und all das Gute zu tun, das der unendlich Gute für uns bereitet hat.
Die Augen des Glaubens beginnen zu sehen, was offen vor uns liegt, was aber noch dunkel und verschleiert bleibt, solange wir nicht glauben und nicht zur Erkenntnis des liebenden Vaters gelangen, von dem alles seinen Ausgang nimmt.
Schon die Betrachtung der Werke der Schöpfung vermag ein Staunen, ja gar ein Entzücken in uns Menschen hervorzurufen. Wenn dieses Entzücken uns dahin führt, die Herrlichkeit dessen wahrzunehmen, der alles geschaffen hat, dann beginnen wir tiefer zu sehen und wir werden von unserer Blindheit geheilt.
Was gibt es Schöneres, als überall die Liebe Gottes am Werk zu sehen?
Wenn wir nun mit geöffneten Augen durch das Leben gehen, dann strahlt der Himmel bereits in unserem Leben auf, denn alles atmet schon die Liebe unseres Vaters, die wir dann im Himmel mit der vollen Offenheit unseres Wesens ganz aufzunehmen vermögen.
Auf dem Weg dorthin können wir jedoch den Himmel bereits wahrnehmen. Jedes Mal, wenn wir ihm begegnen – also wahrhaftig zu sehen beginnen -, wird der Vater uns die Augen weiter öffnen, bis wir schon hier auf Erden seine Gegenwart als beglückende Wirklichkeit erleben, hier also schon den Himmel besitzen, wie es die Heilige Hildegard ausdrückt.