Heb 2,11-12.13-18
Er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle von Einem ab; darum scheut er sich nicht, sie Brüder zu nennen und zu sagen: Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen; und ferner: Ich will auf ihn mein Vertrauen setzen; und: Seht, ich und die Kinder, die Gott mir geschenkt hat. Da nun die Kinder Menschen von Fleisch und Blut sind, hat auch er in gleicher Weise Fleisch und Blut angenommen, um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren. Denn er nimmt sich keineswegs der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an. Darum mußte er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen. Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden.
Der heutige Auszug aus dem Hebräerbrief greift auch das Thema der Entmachtung des Teufels auf, wie wir es bereits gestern betrachtet haben. Diesmal wird die Herrschaft des Teufels über den Tod bzw. über die Furcht vor dem Tod angesprochen.
Es ist wahr: der Tod ist »der große Unbekannte« – ja, die Bibel nennt ihn sogar einen Feind (1 Kor 15,26).
Wie gehen wir mit dem Tod um und wie mit der Angst vor dem Tod?
Gewiß schürt der Teufel diese Angst. Besonders will er verhindern, daß die Menschen den Tod als den großen Übergang zum Ewigen Leben verstehen, zu einem Ewigen Leben mit Gott, welches er uns in seinem Sohn Jesus Christus anbietet, wenn wir durch das Gericht Gottes hindurchgegangen sind.
In der Tat ist der Tod eine Kraft, die uns in existentielle Nöte und Ängste führen kann. Wenn er noch unter der Herrschaft des Teufels steht, kann der Tod so etwas wie Sinnlosigkeit, ein Verschwinden ins Nichts, in das Unbekannte, in eine Aussichtslosigkeit bedeuten; ein Leiden vor dem Tod ergibt dann keinen Sinn und so kommt es, daß der Gedanke der Euthanasie gar in der Kategorie der Barmherzigkeit hoffähig werden kann. Auch über den Selbstmord herrscht die Macht des Bösen, wenn er den Menschen so in die Verzweiflung führt, daß er meint, in den Tod flüchten zu müssen.
Wie also hat Jesus den Tod entmachtet? Was verändert sich in der Begegnung mit dem Tod? Grundvoraussetzung für die Entmachtung des Todes ist der Glaube. Dieser sagt uns, daß Jesus von den Toten auferstanden ist (vgl. Röm 6,9). Die Auferstehung des Herrn macht uns deutlich, daß wir nach dem Tod verwandelt werden und in eine andere, und zwar in eine vollkommene Existenz eintreten, wenn wir dann bei Gott leben dürfen. Die Heilige Schrift gibt uns davon Kunde.
Wenn dieser Glaube unser Herz erfüllt, dann ist in einem wesentlichen Punkt der Tod schon der Herrschaft des Satans entrissen. Er ist dann nicht ein Versinken in das sinnlose Nichts, nicht die Tür zum Unbekannten oder der Sturz in einen bodenlosen Abgrund oder was immer es an Vorstellungen geben mag. Nein, der Tod ist der letzte Schritt, heimzukehren zu Gott.
Ein weiterer Schritt, dem Teufel die Herrschaft über den Tod zu entreißen, ist, diesen auf uns zukommenden Tod bereits in unser Leben zu integrieren. Die Heilige Schrift sagt uns: “Gedenke, daß Du sterben mußt, damit Du klug wirst” (Ps 90,12). Was bedeutet das?
Wiederum ist es der Glaube, der uns lehrt, daß unser Leben vor Gott steht und wir eines Tages Rechenschaft abzulegen haben. Dies ist ein sehr ernster Aspekt, denn er macht uns klar, daß wir für das, was wir tun oder auch unterlassen, verantwortlich sind.
Wir werden – je nach unserem Erkenntnisstand – danach gerichtet, wie wir auf die Liebe Gottes geantwortet haben.
Dieses Bewußtsein darf uns durchaus einen heilsamen Schrecken vermitteln, denn es stellt uns den letzten Ernst unserer Existenz vor Augen. Die rechte Konsequenz davon ist, daß wir unser Leben noch verantwortlicher leben. Vor einem solchen Gedanken einer letzten Verantwortlichkeit muß man keine Angst haben, denn Gott ist immer bereit zu verzeihen, uns aufzurichten und zu stärken. Doch sicherlich möchte Gott, daß wir das Unsrige tun, um seinen Willen zu erfüllen.
Auf diese Weise kann uns der Tod zum Lehrmeister werden. Er ist dann nicht mehr derjenige, der uns Angst bereitet und uns ein Leben lang durch die Furcht versklavt, sondern er weckt uns auf und erinnert uns an das Wesentliche.
Wenden wir uns an den Herrn, wenn uns Ängste vor dem Tod bedrücken, und rufen wir den Heiligen Geist in diese Ängste hinein!