Dem Ruf Folgen

Mt 8,18-22

In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die um ihn waren, befahl er, ans andere Ufer zu fahren. Da kam ein Schriftgelehrter zu ihm und sagte: Meister, ich will dir folgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, an dem er sein Haupt hinlegen kann. Ein anderer aber, einer seiner Jünger, sagte zu ihm: Herr, laß mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben! Jesus erwiderte: Folge mir nach; laß die Toten ihre Toten begraben!

Es wäre dem Evangelium und seinem Anspruch an die Nachfolge des Herrn wenig gedient, wenn man die Unbedingtheit des Rufes Jesu abschwächen würde. Das Salz würde schal werden und das Licht verblassen (vgl. Mt 5,13-14). Leicht entsteht die Gefahr der Mittelmäßigkeit, und als Christen haben wir immer darauf zu achten, daß das nicht eintritt und unser christliches Leben sich nicht mehr von dem üblichen Leben in der Welt unterscheidet.

Heute wird uns die Unbedingtheit des Rufes vor Augen gestellt. Jesus macht dem Fragenden klar, auf was er sich einläßt, wenn er dem Herrn nachfolgen will. Die Nachfolge des Herrn ist nicht mit der Behaglichkeit eines ruhigen und gesicherten Lebens zu verwechseln. Wer bestimmte Sicherheiten seines Lebens nicht verlassen will und an ihnen hängenbleibt, kann diesem Ruf nicht entsprechen. Besonders krass wird der Widerspruch, wenn sich z.B. im Leben einer geistlichen Gemeinschaft oder eines Ordens Verhaltensweisen ausbreiten, die eher zu einem Leben in der Welt gehören als zu einem Ruf in die engere Nachfolge Christi. Geht z.B. der Sinn für die Armut und den Gehorsam verloren, dann wird ein solch wertvoller Ruf wie von innen ausgehöhlt. Das gilt natürlich auch für das dritte Gelübde, die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen.

Jesus sagt es von Anfang an und macht niemand etwas vor: “Wenn du mir nachfolgen willst”, so könnte man seine Worte interpretieren, “dann hast du keine irdische Heimat mehr, nirgends kannst du dein Haupt mehr in einer irdischen Sicherheit betten. Du bist im Dienst der Mission, die dir anvertraut ist.”

Es entsteht jedoch eine neue Heimat, und diese Heimat ist die bleibende: Der Wille Gottes! Diese Heimat ist dann überall, wo immer wir uns befinden und was immer wir auch tun. Erfüllen wir den Willen Gottes, dann sind wir in einer anderen Tiefe beheimatet.

Wie vorrangig der Ruf des Herrn zur Nachfolge ist, sehen wir auch ganz deutlich im zweiten Beispiel. Es ist einer seiner Jünger, der den Herrn bittet, zuerst seinen Vater begraben zu dürfen. Das ist ein sehr ehrenwerter Liebesdienst am Vater, der das vierte Gebot erfüllt: “Ehre deinen Vater und deine Mutter. (Ex 20,12). Und doch gibt es etwas, was diesen Dienst übersteigt, etwas, was noch mehr ist als das hohe Gebot der Ehrung der Eltern: Die Nachfolge Christi!

Im Laufe der Kirchengeschichte gab es nicht selten Konflikte, wenn junge Menschen den Ruf gespürt haben, dem Herrn ganz nachzufolgen. Das konnte auf Unverständnis bei Eltern und Verwandten bis hin zu Ablehnung stoßen. Wir kennen Beispiele, wie sich diese Berufenen durchsetzen mußten, manchmal war es sogar nötig, aus dem Elternhaus zu fliehen. Das war eine erste große Prüfung, ob für denjenigen, der dem Herrn folgen wollte, der Ruf Gottes oder das Elternhaus wichtiger war.

Diese oder ähnliche Prüfungen bleiben denen nicht erspart, die in eine engere Nachfolge eintreten. Oft bekommen sie Schuldgefühle gegenüber den nahestehenden Menschen, die diese Schritte nicht verstehen und akzeptieren wollen. Das sind innere Prüfungen für die Berufenen, die nicht leicht zu bestehen sind.

Doch wenn die Berufung echt ist, wird ihm von dem, der ruft, alle Hilfe gegeben, damit der Schritt der Loslösung erfolgen kann.

Es muß dem Menschen tief aufgehen, wie wichtig es ist, dem Ruf Gottes zu folgen. Unsere Lebensspanne ist begrenzt: Jetzt ist die Zeit, in der wir wirken und die richtigen Entscheidungen treffen können, um für das Reich Gottes so fruchtbar wie möglich zu werden! Dieser Kairos Gottes sollte nicht verschlafen werden, und der Apostel Paulus gibt uns den guten Rat, “die Zeit auszukaufen“ (vgl. Eph 5,16).

Wenn (junge) Menschen einen Ruf Gottes spüren, dann sollten sie dem – nach geeigneter Beratung – auch nachgehen.

Es ist ungemein wichtig, daß Berufungen in der Kirche existieren, die ihr ganzes Leben auf Gott ausrichten und um Jesu willen alles zurücklassen. Eltern, Freunde und nahe Verwandte sind eingeladen, einen solchen Ruf zu stützen und ihren »Verlust« richtig einzuordnen. Nichts verliert man, wenn man es Gott schenkt; und was könnte für die eigenen Kinder besser sein, als wenn sie dem Ruf Gottes folgen und darin ihre Erfüllung finden?

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