“Verweile in mir und ich in dir” (inneres Wort)
»Kontemplatives Verweilen« bedeutet auf unserer Pilgerschaft ein längeres Bleiben im Herrn. Gott lädt uns dazu ein, und es gibt verschiedene Weisen des Verweilens im Herrn.
“Bleibt in mir und ich bleibe in euch”, so heißt es im Johannesevangelium (Joh 15,4).
Unser Vater ruht in der Seele eines Menschen, der im Stand der Gnade lebt. Er hat dort Wohnung genommen und bleibt auch dort, denn es ist seine Freude, bei den Menschen zu sein (vgl. Spr 8,31). Wenn wir die Türe unserer Seele nicht durch eine schwere Sünde verschließen und in dieser verharren, ist es immerwährend ein beglückender Zustand, Gott in der eigenen Seele begegnen zu können, wenn wir ihn suchen.
Nun ist diese geistige Gegenwart Gottes sehr fein und zart, und die Seele lernt nach und nach, wie sie diese Gegenwart wahrnehmen kann. Wie es im Buch der Könige beschrieben ist, fand der Prophet Elija Gott nicht im Sturm und Gewitter, sondern in einem zarten Hauch des Geistes (1 Kön 19,11-13). So geschieht es auch in unserem Inneren. Unser Vater zieht uns mit zärtlicher Liebe an sich und erleuchtet uns mit einem milden, sanften Licht. Darin kann unsere Seele verweilen.
Denken wir an das Geschenk der inneren Sammlung, wie sie uns manchmal nach der Heiligen Kommunion geschenkt wird, oder an die Stille, die oft bei der Wandlung eintritt. Noch eindrucksvoller ist dies bei der Heiligen Messe im alten römischen Ritus, wenn der Priester Gott ganz zugewandt den Kanon still betet. Es entsteht eine heilige Stille.
Dies sind die Momente, in denen die Seele mit der Ewigkeit in Berührung kommt, in denen sie verweilen möchte und der Herr in ihr verweilt. Ist es nicht so, daß wir nach nichts anderem mehr Verlangen haben, wenn wir die heilige Stille spüren und gerne darin verweilen? Wo sollten wir auch hingehen? Leider bleibt die Seele nicht sehr lange in diesem Zustand, und die Zerstreuungen holen uns wieder ein.
Doch der hier beschriebene Zustand, der zum Verweilen einlädt, ist sehr viel häufiger zu finden, wenn wir uns die Zeit für das innige Gespräch mit dem Herrn in der Stille nehmen. Der Vater wartet darauf, daß wir ihn in unserem Herzen suchen und er den Austausch der Liebe mit uns pflegen kann. In diesem verweilt er in uns und wir in ihm. Da verliert sich die Zeit, und ein Geschmack der Ewigkeit berührt die Seele. Für unsere Seele ist dies ein Heimkommen. Dort möchte sie hin und für immer bleiben.