Ps 24,1-6
Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner. Denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt. Wer darf hinaufziehen zum Berg des Herrn, wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? Der reine Hände hat und ein lauteres Herz, der nicht betrügt und keinen Meineid schwört. Er wird Segen empfangen vom Herrn und Heil von Gott, seinem Helfer. Das sind die Menschen, die nach ihm fragen, die dein Antlitz suchen, Gott Jakobs.
Es wird immer wieder das uns auf dem Weg mit Gott begleitende Thema sein: Wie bekomme ich ein reines, ein lauteres Herz? In den vergangenen Marienbetrachtungen haben wir die innere Schönheit der Gottesmutter ein wenig näher kennengelernt, und vor zwei Tagen wies ich auf das reine Herz des heiligen Joseph hin!
Ein reines Herz ist ein Herz, das schon ganz zur Liebe erwacht ist und von der göttlichen Liebe gereinigt wurde. Das reine Herz Gott gegenüber besteht darin, daß all die innersten Absichten offen daliegen und nicht mehr verborgen bleiben. Der Geist des Herrn, wenn wir ihn darum bitten und ihn wirken lassen, dringt bis in die innersten Kammern unseres Herzens ein, um alles zu Gott hin zu öffnen. Es heißt in der Schrift :
„Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. Wer kann es ergründen? Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, um jedem zu vergelten, wie es sein Verhalten verdient, entsprechend der Frucht seiner Taten.“ (Jer.17,9-10)
Da der Herr das Herz zu erforschen vermag, können wir ihn auch darum bitten, nichts in uns bestehen zu lassen, was der Liebe entgegensteht, keine geheimen Winkel, die sich Gott gegenüber versperren, oder sich nicht richtig seiner Liebe öffnen wollen! Vielleicht werden wir den einen oder anderen Widerstand in uns entdecken, evtl. geheimes Misstrauen oder einen Mangel an Vertrauen.
Wir sollten darüber nicht zu verwundert sein, obwohl dies schmerzlich ist, sondern einfach dies vor Gott aussprechen und den Geist des Herrn bitten, dies in uns zu überwinden. Dazu gehört freilich, daß wir unser Herz reinigen lassen wollen und bereit sind, es von ungeordneten Anhänglichkeiten zu lösen. Wir müssen deshalb keine Ängste entwickeln, denn unser Herz ist dem Herrn bekannt, und wenn wir merken, daß etwas nicht stimmt oder noch nicht stimmt, dann ist dies nur die Feststellung der Wirklichkeit und nicht etwa bereits eine Verurteilung: Eine Wirklichkeit, welche sich mit der Gnade Gottes verwandeln kann und soll!
Wer darf hinaufsteigen zum Berg des Herrn!
Welcher Berg ist hier gemeint?
Wenn wir den Text in Bezug auf das innerliche Leben lesen, dann dürfte es das sein, was von den geistlichen Lehrern als der „Aufstieg zu Gott“ verstanden wird, oder allgemein können wir ihn als den „Weg der Vollkommenheit“ bezeichnen. Dazu gehören dann die anderen hier genannten Attribute, z.B. die reinen Hände. Diese korrespondieren natürlich mit dem reinen Herz, denn unsere Hände sollen ja das ausführen, was der Geist Gottes uns eingibt. Die reinen Hände weisen uns auf die guten Taten hin; Hände, die sich nicht mit Habgier befleckt haben, sondern zu Gliedern der Gerechtigkeit geworden sind, wie all unsere Glieder, die im Dienst des Herrn stehen!
Jede Art von Doppelleben sei uns fern auf dem Weg zum Berg des Herrn; weder sollten wir uns selbst betrügen, noch andere Menschen täuschen. In diesem Zusammenhang – um unseren Weg noch feiner zu erkennen und zu gehen – ist es auch nötig, sich von aller Selbsttäuschung zu befreien und von Gott befreien zu lassen.
Es kommt leider nicht selten vor, daß wir „unsere Schatten“ wenig wahrnehmen oder auch wahrnehmen wollen und sie daher leicht übergehen. Das hängt damit zusammen, daß wir relativ blind für unsere eigenen Fehler und Fehlverhalten sind. Übergehen wir sie aber und bringen sie nicht zum Herrn, dann kann etwas Künstliches in unsere Person und auch in die Weise der Frömmigkeit einziehen. Wir kennen uns dann selbst recht wenig und es entsteht ein Bild von uns, welches nicht von der Wirklichkeit abgedeckt ist! Ich spreche dies deshalb an, weil es sehr leicht vorkommen kann, daß Menschen dieses etwas künstliche und nicht ganz reale Bild, das wir von uns zeichnen, einfach übernehmen. Bei der nicht selten vorhandenen Neigung, andere oder auch sich selbst zu idealisieren, findet auf einer feinen Ebene eine Art Täuschung statt. Das ist sicher nicht ein bewußt durchgeführter Betrug, aber doch eine feine Weise der Verstellung, die wir durchbrechen sollten, wenn wir auf den Berg des Herrn ziehen wollen!
Wir sind gerufen, in unserem Leben für den Herrn transparent zu sein. Das hilft den Menschen, Gott leichter zu entdecken. Jede Art von Ambivalenz sei ferne. Das betrifft sowohl die Lehre der Kirche und ihre Moral, die eindeutig ist und auch auf diese Weise in Liebe weitergegeben werden soll. Sowohl für uns selbst als auch für das Zeugnis sind Zweideutigkeiten sehr schädlich. All dies ist sicher auch gemeint, wenn es heißt, wir sollen keinen Meineid schwören!
Der “Aufstieg zum Berg des Herrn“ ist nur durch seine Gnade möglich. Doch sind wir diejenigen, die nach seinem Antlitz suchen und nach ihm fragen. Wir werden dann entdecken, daß der Herr, der auf dem Gipfel des Berges steht, sich zu uns herabneigt, um uns an sich zu ziehen, und wir all seinen Segen empfangen, damit wir unser Ziel erreichen!