Wir nehmen heute nochmals das Thema der Unterscheidung der Geister auf, mit dem wir vorgestern begonnen haben. Die Lesung, die wir hören, ist zwar nicht die Tageslesung, sie stammt aber auch aus dem 1.Johannesbrief.
1 Joh 4,1-6
Geliebte, traut nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgezogen. Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus bekennt als im Fleisch gekommen, ist aus Gott und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichrist, über den ihr gehört habt, daß er kommt. Jetzt ist er schon in der Welt. Ihr aber, meine Kinder, seid aus Gott und habt die falschen Propheten besiegt; denn Er, der in euch ist, ist größer als jener, der in der Welt ist. Sie sind aus der Welt; deshalb sprechen sie, wie die Welt spricht, und die Welt hört auf sie. Wir aber sind aus Gott. Wer Gott erkennt, hört auf uns; wer nicht aus Gott ist, hört nicht auf uns. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.
Die heutige Lesung aus dem Johannesbrief fordert uns auf, die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind.
Wie ich bereits vorgestern erwähnt habe, muß diese Prüfung gut durchgeführt werden, denn der Geist des Antichristen wirkt nicht nur, wenn allgemein geleugnet wird, daß Jesus der Christus ist, sondern immer und überall, wo die durch Gott und seine Kirche überlieferte Lehre angegriffen, relativiert oder gar geleugnet wird, wo sich also ein Irrtum ausbreitet.
Vorgestern führte ich aus, daß man nicht etwa gegen die Liebe verstößt, wenn man moralische Verfehlungen auch als solche bezeichnet. Genauso ist es mit den Irrtümern; auch sie müssen klar benannt werden. Damit hat man nicht ein moralisches Urteil über einen Menschen gesprochen, ihn gar verurteilt, sondern man stellt objektiv fest, wie eine bestimmte Situation aus der Sicht unseres katholischen Glaubens zu beurteilen ist.
Nehmen wir als Beispiel theologische Irrtümer oder Abweichungen von der Lehre der Kirche. Wenn z.B. die reale Auferstehung Christi geleugnet würde oder die Wirklichkeit der Gegenwart Christi in der heiligen Eucharistie, die Jungfräulichkeit Mariens oder andere Artikel unseres heiligen Glaubens: welch verheerende Wirkung hätte dies auf die Gläubigen! Lehrte man solche Irrtümer z.B. Seminaristen, was würde das für eine zukünftige Priestergeneration bedeuten! In einem solchen Fall ist der Geist des Antichrist am Werk, von dem uns die heutige Lesung sagt: “Jetzt ist er schon in der Welt.”
Solche Dinge müssen klar benannt und die Gläubigen durch die Hirten vor solchen Irrtümern gewarnt werden. Geschieht dies nicht, dann schützen die Hirten die Herde nicht mehr und werden auf diesem Weg zu Mitarbeitern des Geistes des Antichrist.
Es gilt auf die authentische Lehre der Kirche zu hören und die Lehre der Apostel so zu befolgen, wie sie uns überliefert ist. Wir dürfen uns keine Illusionen machen und müssen realisieren, daß die Kirche immer vom Geist des Antichrist angegriffen wird, der versucht, sie zu unterwandern. Schlimm ist es jedoch, wenn diejenigen, die für das Volk Gottes Verantwortung tragen, solch eine Situation nicht richtig wahrnehmen oder einschätzen. Dann müssen die Gläubigen selbst die Unterscheidung der Geister durchführen und sich an solchen Hirten orientieren, die sich nicht mit dem Geist der Welt kompromittiert haben.
Zum Schluß noch ein Hinweis, was ich unter der »Scheidung der Geister« verstehe:
Es ist unsere Aufgabe, die »Unterscheidung der Geister« in ihren verschiedenen Aspekten durchzuführen, wie ich sie in der vorigen Betrachtung bereits etwas beschrieben habe. Der Apostel Johannes mahnt uns: “Traut nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind.”
Die »Scheidung der Geister« hingegen bedeutet – aus meiner Sicht – eine klare und wahrnehmbare Entflechtung von Licht und Finsternis. Im 13. Kapitel des Matthäusevangeliums wird im Zusammenhang mit dem Weltgericht folgendes gesagt: “So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen” (Mt 13,49).
Es ist meine Hoffnung und auch mein Gebet, Gott möge durch seine Engel bewirken, daß die Verwirrung, die derzeit in der Kirche um sich greift, überwunden werden kann. Anders ausgedrückt: Die Engel mögen helfen, daß der antichristliche Geist, der auf verschiedenen Wegen in unsere heilige Kirche Einzug gehalten hat, gebunden wird und die Kirche nicht weiter infiltrieren kann. Es muß für die Katholiken deutlich sein, was katholisch und was nicht katholisch ist, was Wahrheit und was Irrtum ist, was moralisch richtig oder falsch ist, was ökumenisch angebracht oder nicht angebracht ist, welche Hirten den rechten Dienst versehen und welche zu Mietlingen geworden sind (vgl. Joh 10,11-13).
Da wir Menschen aber sehr anfällig sind und uns leicht irren können, sollen besser die heiligen Engel, welche in der vollen Erkenntnis Gottes handeln, Licht und Finsternis voneinander scheiden, also diese »Scheidung der Geister« durchführen.
Sie mögen helfen, das Wirken der Dämonen zu entlarven. Als Glieder der himmlischen Kirche können sie der streitenden Kirche zu Hilfe eilen, indem sie die Dämonen vertreiben, damit Licht und Finsternis sich nicht weiterhin vermischen.