Wir Menschen brauchen in unserer Gefallenheit und in unseren Begrenzungen, in der Unberechenbarkeit des Lebens sowie in der fragilen Umwelt, die uns umgibt, einen dauerhaften, tragenden Grund. Diesen Grund finden wir in der Liebe unseres Vaters.
Seine Liebe schenkt uns Leben, Licht, Klarheit und Sicherheit. In ihr sind wir wirklich geborgen, da sie keine Schwankungen kennt und sich auch dann nicht zurückzieht, wenn wir selbst schwach geworden sind und uns Neigungen überlassen haben, die uns von Gott trennen wollen.
Gott schenkt sich der Menschheit besonders im Aspekt seiner Barmherzigkeit. Weit öffnet er sein Herz, damit wir darin Erbarmen finden. Gott ist eben nicht der hartherzige Rächer all unserer Verfehlungen. Er will dem Menschen immer den Weg zur Vergebung und zur Veränderung öffnen, bevor er ihm die Konsequenzen seines Handelns vor Augen stellt und ihn diese auch spüren läßt, immer mit der Absicht, daß er sich bessert.
Gott will nicht strafen, sondern schonen, nicht rächen, sondern vergeben. Er erbarmt sich über uns und bietet uns immer wieder, auch in noch so verfahrenen Situationen, seine Liebe an. Und erst recht handelt er so an den Menschen, die ernsthaft seine Wege gehen wollen und doch immer wieder ihren Schwächen unterliegen.
Bei aller Ernsthaftigkeit des Weges der Nachfolge Christi und der Verantwortung, die uns daraus erwächst, will unser Herr nicht, daß wir verkrampft und skrupulös werden und womöglich in Angst vor unserem Vater leben. Seine Beziehung zu uns ist geprägt von seiner Liebe, seiner Geduld, seiner Nachsicht und der Feinheit seines Herzens. Unser Vater lädt uns ein, daß auch wir im Umgang mit ihm immer feinfühliger werden, damit sich die Gaben der Gottesfurcht und Frömmigkeit in uns entfalten, die uns nicht nur dazu führen, daß wir Gott nicht mehr beleidigen wollen, sondern daß wir alles aus Liebe zu ihm tun.
Für diesen Weg brauchen wir sein Erbarmen, denn wir werden immer wieder an die Grenzen unserer Liebesfähigkeit stoßen. Unser Vater weiß darum, er tröstet uns und gibt uns die Kraft, auf dem begonnenen Weg weiterzugehen, nach Niederlagen wieder aufzustehen und an seiner Liebe nicht zu zweifeln. Was wäre das für eine Liebe, die sich abwendet, wenn wir den Weg verfehlen! Nein, unser Vater möchte, daß wir immer wieder in sein Herz als Quelle des Erbarmens einkehren und ihm grenzenlos vertrauen. Dieses Vertrauen kann gerade durch die Erkenntnis und die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes gewonnen werden. Wie oft haben wir, wenn wir ernsthaft zu Gott gegangen sind, seine Barmherzigkeit erfahren: sei es in der inneren Zwiesprache mit ihm, sei es im Sakrament der heiligen Beichte oder auf den verschiedenen Wegen, die Gott uns zeigt!
Die Erkenntnis, daß Gott in seiner Liebe immer für uns da ist, daß er nichts anderes möchte, als daß wir seine Liebe tiefer kennenlernen, soll unser Bewußtsein und unser Herz durchdringen.
Manchmal erfahren wir gerade in einer für uns schwierigen Lebenssituation seine Barmherzigkeit, die uns seine Liebe erkennen läßt, uns aufrichtet und uns neues Leben schenkt.
So ist Gottes Erbarmen nicht nur für den Sünder der Weg zum wahren Leben, sondern auch für den, der bereits auf den Wegen Gottes geht und sich um Vollkommenheit bemüht. Es ist die Quelle, in der wir immer wieder gereinigt werden von allem, was uns noch beschmutzt und was noch nicht genügend vom Licht Gottes durchdrungen ist.
Gerade seine Barmherzigkeit sollte uns Mut machen, den Weg immer wieder neu zu beschreiten und ihn fortzusetzen, und sie sollte uns befähigen, auch anderen gegenüber barmherzig zu sein.