In diesen Tagen reflektieren wir über einen wichtigen geistlichen Bereich, der uns helfen soll, ganz zur Wahrheit hin zu erwachen, damit unsere Nachfolge Christi frei von Illusionen wird und daher umso authentischer in diese Welt hineinwirken kann!
In Psalm 19, Vers 3 heißt es: „Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewußt ist.“ Im Neuen Testament weist Jesus öfter auf die Verblendung der Pharisäer und Schriftgelehrten hin.
Gott kennt das menschliche Herz und vor ihm ist nichts verborgen.
Für die Nachfolge Christi ist es von großer Bedeutung, ob wir bereit sind, uns in Gott selbst zu erkennen und so in eine realistischere Gottesbeziehung einzutreten. Sicher gibt es oft eine Scheu und auch Ängste, sich besser zu erkennen. Man fürchtet, man werde alles Mögliche verlieren und somit ganz entblößt sein…
Doch diese Ängste sind zu überwinden, denn man erkennt sich vor einem liebenden Vater, der uns um unserer Fehler und Sünden willen nicht verachtet, sondern uns aufrichten will und möchte, daß wir uns ganz auf seine Barmherzigkeit verlassen.
Wir brauchen also keine Befürchtungen zu haben, uns tiefer zu erkennen: Im Gegenteil! Eher sollten wir besorgt sein, ob wir noch in einer Art Selbstblindheit leben und in bestimmten Bereichen nicht bereit sind, unsere selbstgemachten Vorstellungen zu verlassen!
Im Folgenden als Fortsetzung Auszüge aus dem Text von P. Sladek (kursiv gedruckt) mit Anmerkungen von mir!
„Wer in der Selbsttäuschung lebt, hat nicht nur ein falsches Bild über sich selbst, sondern bestreitet in der unbewußten Seelentiefe mit seiner lügenhaften Vorstellung über sich das Urteil Gottes. Er kämpft daher im wahren Sinn des Wortes nicht nur gegen die Wahrheit, sondern auch gegen Gott und verschließt sich gegen die ihm immer angebotene göttliche Gnade der Barmherzigkeit. Wenn hingegen der Mensch ehrlich zu sich selbst steht und vor Gott bekennt, daß er noch immer nicht bereit ist, die von Kindheit an geübte Befriedigung des eigenen Ich‘s zu lassen und Gott als den Herrn seines Lebens anzuerkennen, entwickelt er eine Einstellung, die einen Fortschritt auf seinem Weg zu Gott ermöglicht. Nur das ehrliche, vertrauensvolle Bekenntnis der vollen Wahrheit über die eigene Sündhaftigkeit vor Gott öffnet das Herz für die heilende Kraft der göttlichen Gnade. Darum kann die vergebende Liebe Gottes nicht wirksam werden, solange der Mensch, wenn auch unbewußt, seine Schuld und seine Sündhaftigkeit bagatellisiert oder gar zu rechtfertigen sucht.“
Die letzte Bemerkung ist auch sehr wichtig für die Seelsorge. Bei aller notwendigen Sensibilität für den Menschen, der unsere Hilfe braucht, kann wahre Hilfestellung nie bedeuten, daß man den Menschen in der Illusion über sich selbst beläßt! Er muß zur Erkenntnis seiner wahren Situation vor Gott gelangen – immer mit dem Hintergrund, daß Er der liebende Vater ist, der ihn in Seiner Liebe an sich ziehen möchte. Relativierungen von Schuld und Verantwortung führen hingegen in eine Sackgasse und halten den Menschen in seiner Blindheit gefangen!
„Die wirkliche Umkehr zu Gott vollzieht sich erst dann, wenn der Mensch sein Herz mit allen seinen Sehnsüchten und Wünschen bis in die unbewußte Seelentiefe Gott geschenkt hat. Das aber ist der Anfang der Heiligkeit. Wer weiß, wie sehr er in erster Linie noch immer die Befriedigung des eigenen Ich‘s sucht und daher noch weit von der vollkommenen Gottesliebe entfernt ist, wird im demütigen Bewußtsein seiner Sündhaftigkeit vor Gott nicht mehr auf seinen „Bemühungen“ im sittlich-religiösen Streben und auf seinen angeblich „guten Willen“ pochen. Er weiß, daß er – um mit den Worten des verlorenen Sohnes zu sprechen – der Liebe Gottes nicht wert ist, aber trotzdem aus dem Vertrauen auf die unendliche Barmherzigkeit Gottes leben darf (vgl. Lk 15,21). Von dieser Gesinnung erfüllt, nicht aber aus der selbstgerechten Sicherung durch eigene Leistung oder gar im überheblichen Glauben an die Vollkommenheit ihres Standes, sollten die Ordensleute die frohe Botschaft in Kirche und Welt verkünden und vorleben. Sie sollen durch Wort und Tat bezeugen, daß die bewußte Entscheidung für die Nachfolge Christi zunächst bedeutet, seine geheime Selbstgerechtigkeit zu zermürben, immer mehr aus der Überzeugung der eigenen Sündhaftigkeit und der alle Sünde übersteigenden Barmherzigkeit Gottes zu leben und die vom Evangelium geforderte Selbstverleugnung in der Nachfolge Christi (vgl. Mt 16,24) in erster Linie durch den Abbau des weithin unbewußten Geltungs- und Machtstrebens, nicht aber primär im Verzicht auf gottgeschenkte Freude und Lust, zu üben. Nur durch eine wachsende innere Wahrhaftigkeit und echte Demut bereiten wir unser Herz für die Umkehr.“
Den Ausführungen von P. Sladek ist hinzuzufügen – damit kein falsches Bild entsteht – daß nach dem primären Streben nach der inneren Wahrhaftigkeit und dem Abbau der Selbstgerechtigkeit, eine weise Askese und Beschneidung der natürlichen Freuden die Spannkraft der Seele stärkt. Nur darf sie nicht als primäres Ziel angestrebt werden und nicht dazu führen, einen verborgenen Stolz auf seine Leistung zu fördern!
„Die Heiligen aber, welche die Umkehr zu Gott bis in die Tiefe ihrer Seele vollzogen haben und sich dessen auch durchaus bewußt sind, geben in allem Gott die Ehre, weil sie wissen: Alles Gute, was sie an sich haben, ist ein Geschenk der göttlichen Güte, während ihre Schwächen und die Sünden ihres Lebens, ob sie groß oder gering sind, kennzeichnend dafür sind, was sie aus sich selbst sind und haben. Daher kann eine heilige Margarete Alacoque bekennen: „Von meiner Bosheit habe ich alles zu fürchten, von Deiner Güte habe ich alles zu hoffen“. Im Lichte dieser Erkenntnisse ist die Überwindung der weithin unbewußten Selbsttäuschung, welche das Fundament jeder Selbstgerechtigkeit ist, die Voraussetzung für ein fruchtbares Leben und Wirken der Priester und Ordensleute in Kirche und Welt.“
Diese Worte gelten natürlich für alle, die Christus nachfolgen wollen, nicht nur für Priester und Ordensleute. Die Erfahrung, daß wir von Gott geliebt sind, sollte uns gerade Mut machen, alle Formen von Selbsttäuschung zu überwinden, denn das Ergebnis wird sein, daß wir noch gelöster und freier dem Herrn dienen können! Wenn wir unsere Fehler weder verdrängen noch an ihnen verzweifeln, sondern realistisch mit ihnen vor Gott stehen und versuchen, sie in Ihm zu überwinden, wird die Freude in uns wachsen und wir werden fähiger, auch anderen zu dienen!