Pfingstnovene, Tag 1: “Komm herab, oh Heiliger Geist”

Nachdem wir gestern das Fest der Himmelfahrt des Herrn gefeiert haben, beginnt die Kirche heute, mit einer Novene um den Heiligen Geist zu beten. In den folgenden Tagen möchte ich das gewohnte Schema der Auslegungen verlassen, um in den Betrachtungen einige Aspekte und Wirkungsweisen des Heiligen Geistes zu beschreiben. Das soll dienen, um den Heiligen Geist näher kennenzulernen und so auf das hohe Fest von Pfingsten vorbereitet zu sein. Als Leitstern wähle ich die Pfingstsequenz, die zweifellos eines der schönsten Gebete der Kirche ist. Hier gebe ich sie vollständig wieder:

Komm herab, o Heiliger Geist,

der die finstre Nacht zerreißt,

strahle Licht in diese Welt.

 

Komm, der alle Armen liebt,

komm, der gute Gaben gibt,

komm, der jedes Herz erhellt!

 

Höchster Tröster in der Zeit,

Gast, der Herz und Sinn erfreut,

köstlich Labsal in der Not.

 

In der Unrast schenkst Du Ruh,

hauchst in Hitze Kühlung zu,

spendest Trost in Leid und Tod.

 

Komm, o Du glückselig Licht,

fülle Herz und Angesicht,

dring bis auf der Seele Grund.

 

Ohne Dein lebendig Wehen,

kann im Menschen nichts bestehen,

kann nichts heil sein noch gesund.

 

Was befleckt ist, wasche rein,

Dürrem gieße Leben ein,

heile Du, wo Krankheit quält.

 

Wärme Du, was kalt und hart,

löse, was in sich erstarrt,

lenke, was den Weg verfehlt.

 

Gib dem Volk, das Dir vertraut,

das auf Deine Hilfe baut,

Deine Gaben zum Geleit.

 

Laß es in der Zeit bestehen,

Deines Heils Vollendung sehen

und der Freuden Ewigkeit! Amen!

 

Jesus hat uns diesen Geist verheißen und ihn auch auf die Erde gesandt. Er ist die Ausgießung der gegenseitigen Liebe zwischen Vater und Sohn. Die heiligen Väter nennen ihn auch den »Kuß des Vaters und des Sohnes«. Der heilige Bernhard von Clairvaux nennt ihn zärtlich: »den süßesten und innersten Kuß«. Bleiben wir einmal bei diesem schönen Ausdruck!

Der Kuß ist eine Selbstmitteilung der Liebe, in diesem Fall der göttlichen Liebe. Der Vater und der Sohn teilen uns auf diese Weise ihre Liebe mit. Durch die Berührung und Einwohnung des Heiligen Geistes sind wir immer von seiner Zärtlichkeit umgeben. Er möchte uns »wachküssen«, damit wir empfänglich werden für die Liebe Gottes.

Das Wort vom »süßesten und innersten Kuß« paßt besonders gut, wenn wir daran denken, daß der Heilige Geist auf die Jungfrau Maria herabkam und aus ihr Christus, der Herr, geboren wurde. Die Empfängnis des Gottessohnes war also eine göttliche Liebesumarmung der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist.

Wie der Heilige Geist die Jungfrau Maria erfüllte und aus ihr der Erlöser geboren wurde, so möchte der Herr auch die Menschen umarmen und sie mit diesem göttlichen Kuß in seine Gegenwart rufen, ja sie seiner Gegenwart versichern und in ihren Seelen Wohnung nehmen.

Doch bevor dies möglich ist, muß der Geist des Herrn zunächst »die finstre Nacht zerreißen«, in der sich die Menschheit häufig befindet. Das Johannesevangelium beklagt genau diesen Zustand: “Das Licht kam in die Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfaßt!” (Joh 1,5)

Die Finsternis der Sünde und Unwissenheit ist es, die sich wie eine Nacht um den Menschen gelegt hat und die es zu zerreißen gilt. Das Wort »zerreißen« soll darauf hinweisen, daß die Finsternis dicht ist, daß es einer Anstrengung bedarf, um die Menschen wieder fähig zu machen, das Licht aufzunehmen. Diese Anstrengung hat der Gottessohn durch sein Leiden und Sterben bereits auf sich genommen.

Der Heilige Geist nun stellt uns nun die große Erlösungstat Christi vor Augen und will dieses Geschenk Gottes den Menschen nahebringen, damit sie es annehmen und sich von ihm erleuchten lassen.

Doch die Finsternis ist sehr dicht, denn zur Sünde und Unwissenheit kommt noch die Finsternis dieser Welt durch das Wirken des Teufels hinzu, der die Menschen zur Sünde verführen und sie in der Unwissenheit festhalten will. Er verwirrt die Menschen, täuscht sie, versucht, das Bild Gottes zu verdunkeln, zu verzerren oder in der Erinnerung der Menschen ganz verblassen zu lassen.

Umso mehr braucht es das Licht des Heiligen Geistes, das zwar schon in dieser Welt gegenwärtig ist und wirkt, um das wir aber immer erneut bitten können, damit es stärker wird und die Menschen erleuchtet. Der Heilige Geist soll uns den Herrn zeigen, wie er wirklich ist. Er muß uns die Sünde in ihrer Schrecklichkeit und Verwerflichkeit aufzeigen, uns die Wege des Heils lehren und uns auf diesem Weg stärken. Durch den Tod Jesu wurde die Sünde getilgt, die das Einströmen des Heiligen Geistes verhindert hat.

Deshalb betet die Kirche um den Heiligen Geist, damit er sie bewegt und drängt, den Willen Gottes zu tun, um so das Erlösungswerk des Herrn fortzusetzen.

Lassen wir uns in diesen Tagen besonders einladen, um die Bekehrung und Erleuchtung der Menschen zu beten. Der Heilige Geist sucht sie und wenn er sie – vielleicht auch aufgrund unserer Gebete – berührt, dann ändern die Menschen ihr Leben, die finstre Nacht in ihren Seelen wird zerrissen und sein Licht kann einströmen.

„Komm herab, o Heiliger Geist, der die finstere Nacht zerreißt,

strahle Licht in diese Welt !“

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