Die Eitelkeit (2)
Geistlicher Blick auf die Eitelkeit
Schaut man nun mit einem geistlichen Blick auf Menschen, welche stark von der Eitelkeit bestimmt sind, so nimmt man schnell die spezifische Unfreiheit an ihnen wahr. Sie sind mit ihrem Blick nicht auf Gott ausgerichtet, sondern auf sich selbst und machen sich zudem leicht abhängig vom Urteil anderer Menschen.
Dem Heiligen Paulus ist dieses Problem offensichtlich auch in den neuen christlichen Gemeinden bekannt gewesen, und er gibt daher den christlichen Frauen folgende Vorgabe:
„Ebenso sollen die Frauen in angemessener Haltung, mit Bescheidenheit und Zurückhaltung sich schmücken, nicht mit Haargeflechten und Gold- oder Perlenschmuck oder kostbarer Kleidung, sondern wie es sich für Frauen gehört, die gottesfürchtig sein wollen – durch gute Werke!“ (1 Tim 2,9)
Wir merken, wie der Apostel den Blick von der äußeren Schönheit auf die innere Schönheit des Menschen, und somit auf Gott, lenkt. Gott schaut den Menschen anders an und ihm geht es um eine andere Schönheit: In einem gottverbundenen Menschen strahlt die Schönheit Gottes selbst auf!
Es entsteht auf diesem Weg ein neuer Raum der Freiheit und eine Klarheit: Die äußere Schönheit – zu der man sowieso nichts dazu getan hat – hat keinerlei Verdienst, sondern vor Gott tritt der Mensch, der in der Gnade Gottes an der Entfaltung seiner inneren Schönheit mitwirkt, in den Blickpunkt. Er kann sich nun aus dem verkrampften Bemühen lösen, sich und anderen äußerlich gefallen zu müssen und somit öffnet sich eine andere Tiefe des Seins.
Die äußere Schönheit tritt aus ihrem künstlichen Zentrum an die Peripherie und ordnet sich dort ein. Sie wird nun nicht mehr Quelle für eine Bevorzugung. Es tritt an diese Stelle eine neue Gleichberechtigung mit anderen Menschen, denn nun zählen andere Werte, die nicht von äußeren Gegebenheiten bestimmt sind, sondern von der Verwirklichung der Tugenden.
Eitelkeit und radikale Nachfolge Christi
Ein noch stärkerer Schnitt geschieht, wenn christliche Frauen nicht in der Ehe leben oder gar in eine ganz auf Gott gerichtete Lebensform eintreten. Hier können wir im Hintergrund die Worte des Apostels aufnehmen, der die neue Grundausrichtung vorgibt. So schreibt er an die Gemeinde von Korinth: „…die unverheiratete Frau und die Jungfrau sind um die Sache des Herrn besorgt: sie wollen heilig sein an Leib und Geist: die Verheiratete dagegen ist um die Dinge der Welt besorgt und will ihrem Mann gefallen!“ (1 Kor 7,32 f)
Wenn wir dieses Wort annehmen und verwirklichen, wird klar: eine Eitelkeit, die sich selbst und den Menschen gefallen will, um scheinbar den eigenen Wert zu erhöhen, steht im Widerspruch zu einem Ruf in die enge Nachfolge Christi. Eine eitle Ordensschwester wäre ein Widerspruch in sich. Gerade der Ruf zur radikalen Nachfolge des Herrn kann nicht dulden, daß Eitelkeiten gepflegt werden, denn man hat den Ruf vernommen: „Tochter, sieh her und neige Dein Ohr. Verlaß Dein Volk und Dein Vaterhaus. Der König verlangt nach deiner Schönheit. Verneig Dich vor ihm.“ (Ps 45,11f)
Es geht um die wahre Schönheit vor Gott.
Versucht man nicht ernsthaft die „alten Eitelkeiten“ zu überwinden, dann bleibt man ein Gefangener seiner selbst, was umso schmerzlicher ist, da ein hoher Ruf der Nachfolge Christi ergangen ist. Es bleibt eine Selbstgebundenheit bestehen, die mit dem Weg der Loslösung von den Dingen dieser Welt und der falschen Anhänglichkeit an sich selbst und an Personen nicht harmonieren kann.
Die nicht bekämpfte Eitelkeit (Gefallsucht) kann zu einer Untreue gegenüber dem Ruf des Herrn werden! Spätestens jetzt wird es deutlich – besonders bei einer ausgeprägten Eitelkeit – daß es sich nicht nur um eine harmlose Dummheit handelt, sondern dass sie den Menschen von innen her schwächt und er nicht diese Welt mit ihrem Denken und Empfinden zu überwinden vermag.
Folgen der Eitelkeit und ihre Überwindung
Die Eitelkeit bindet den Menschen an die Peripherie. Vom geistlichen Weg her gesehen heißt dies, daß man in „freiwilligen Unvollkommenheiten“ verharrt und die Seele daher keinen Aufschwung zu Gott zu nehmen vermag. Die Eitelkeit wird zu einer Kette, die den Menschen festbindet, und zu einem großen Hindernis für den inneren Fortschritt auf dem geistlichen Weg. Das kann dazu führen, dass eine Gleichgültigkeit gegenüber den Anfragen des inneren Weges eintritt, denn länger andauernde freiwillige Anhänglichkeiten hindern nicht nur den geistlichen Fortschritt, sondern belasten auch die Seele, rauben ihr die innere Dynamik (Spannkraft) und machen sie stumpf!
Wie bei allen anderen Themen, welche die Unfreiheit berühren, gilt es auch hier die Selbstgebundenheit zu überwinden. Nur die Bindung an den Sohn Gottes und all das, was er uns in seinem Wort zu verstehen gibt, macht uns wirklich frei. Es entsteht eine andere Werteordnung, die uns der Herr aufschließt. Wenn wir uns dieser zuwenden, dann verlassen wir die alte wetliche Werteordnung und die Anhänglichkeit an sie. Der äußere Schritt mag relativ einfach sein. Um aber die inneren Bindungen und Unfreiheiten zu überwinden, bedarf es eines längeren konsequenten Weges.
Welche gute Gaben wir auch immer haben mögen, sie sind ein Geschenk! Selbst wenn wir daran mitgearbeitet haben, daß sie sich entfalten können, konnten wir dies nicht ohne den Herrn tun. Deshalb ist es eine Art Blindheit, wenn wir sie für uns besitzen wollen, um vor uns und anderen Menschen etwas zu gelten. Dies einzusehen und konsequent an der Überwindung der Eitelkeit zu arbeiten, wird uns eine Freiheit schenken, die unsere Seele aufatmen läßt und uns aus einer inneren Gefangenschaft führt.