346. Kleine Vaterbetrachtung
“Mein Licht vertreibt alle Dunkelheit, bis es Dir wehtut, auch nur den geringsten falschen Gedanken zu haben” (inneres Wort).
Gott ist Licht, und kein Schatten ist in ihm. Unser Vater ist die Liebe (1 Joh 4,8b). Wenn die Liebe in unsere Herzen ausgegossen ist und wir uns auf sie einlassen, dann kann nichts mehr bestehen, was dieser Liebe entgegensteht. So geschieht die Reinigung des Herzens.
Unsere Seele – “gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht” (Apk 8,14) – richtet sich auf zu ihrer wahren Größe und Schönheit. Sie jauchzt in Gott und beginnt gleichzeitig auch unter sich selbst zu leiden.
Doch ist dies ein heilsames und wertvolles Leiden, denn getroffen von der Liebe Gottes, will die Seele nicht mehr in die dunklen Sphären ihrer sinnlichen und geistigen Begierlichkeiten hineingezogen werden. Es ist ein Leiden aus Liebe.
Nichts will die Seele mehr, als in allem dem Vater zu gefallen, und sie stöhnt unter ihren noch nicht überwundenen schlechten Neigungen. Sie wird so empfindsam, daß schon jeder ungute Gedanke ihr geistigerweise Schmerzen bereitet.
Doch die Liebe des Herrn richtet sie immer wieder auf und tröstet sie. Sie weiß, daß es dem Herrn gefällt, wenn sie nach einem neuen Herzen verlangt. Sie weiß, daß Gott all ihre Mühen sieht und versteht, daß es ein Leiden aus Liebe ist. So kommt nicht Bitterkeit und Verzweiflung auf, sondern nur das Verlangen, mehr lieben zu können – lieben, wie der Herr selbst! Auch versteht sie, daß es der Heilige Geist ist, der diese Umwandlung in ihr vollzieht. Sie begreift, daß sie erst unter ihrem bösen Herzen leiden muß, um dann auf Knien um ein neues Herz zu flehen.
All das macht sie wachsam und sie legt jeden Leichtsinn ab. Die Seele dankt dem Herrn, daß er so gnädig ist, sie bis in die letzten Tiefen zu reinigen und damit auch auf die Ewigkeit vorzubereiten. Sie dankt ihm angesichts ihrer Schwäche für sein unendliches Erbarmen, das sie auf ihrem Weg erfährt. Die Seele merkt, daß unser Vater in ihr den Sieg der Liebe herbeiführen möchte. Sie setzt sich ihm zu Füßen, um ihm genau zuzuhören (vgl. Lk 10,39).