In der Schule der geistlichen Väter (III): DAS SEHEN

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Noch einmal betrachten wir das Wort des Heiligen Antonius:

“Wer in der Wüste sitzt und die Herzensruhe pflegt,

wird drei Kämpfen entrissen:

dem Hören, dem Reden, dem Sehen.

Er hat nur noch einen Kampf zu führen:

den gegen die Unreinheit.”

In den beiden vergangenen Tagen haben wir über den Kampf nachgedacht, den uns das rechte Hören und Reden kostet. Heute wenden wir uns den Kampf zu, den unser Auge uns bereitet.

Das Sehen:

Wenn wir v.a. die Versuchungen in den Blick nehmen wollen, welche uns über die Augen erreichen, dann können wir hierfür auch das Wort “Augenlust” nehmen.

Wie die beiden wunderbaren natürlichen Gaben des Herrn – das Hören und das Reden – mißbraucht werden können und zum Einfallstor des Bösen oder des Banalen werden können, so ist es auch mit der Gabe des Sehens. Wir wissen sehr gut, wie viele Bilder täglich auf uns einströmen. Wenn wir sie nicht ordnen, beschneiden und in Weisheit mit ihnen umgehen, dann werden sie unser Inneres bis ins Unbewußte durchdringen und unsere Phantasie ständig in Aktivität führen. Das Einströmen der Bilder wird immer intensiver und wenn man die Entwicklungen in der Filmbranche beobachtet, ist es üblich geworden, in kurzer Zeit ganz viele Bilder zu produzieren. Die Kamera verweilt immer kürzer bei einer Szene, so vertiefen sich die Eindrücke kaum. Hier haben wir ein Spiegelbild für die heutige Zeit.

Wir erinnern uns an die Versuchungsgeschichte. Da heißt es, nachdem die Frau sich auf das verhängnisvolle Gespräch mit der Schlange eingelassen hat:

“Die Frau sah, daß von dem Baum gut zu essen wäre, er lieblich anzusehen war und es begehrenswert wäre, Einsicht zu gewinnen.” (Gen 3,6)

Über Eindrücke, die wir über die Augen gewinnen, kann sehr leicht das Begehren erweckt werden. Die äußeren Sinne werden geweckt und je länger man sich mit den Augen bei Verbotenem aufhält, desto mehr zieht es uns in seinen Bann. Wir brauchen nur an den König David zu denken, der sich dem Reiz der unbekleideten Frau des Uriah nicht zu entziehen vermochte und in der Folge nicht nur der Sünde des Ehebruchs verfiel, sondern wegen seiner Begehrlichkeit auch noch seinen treuen Soldaten absichtlich töten ließ (2 Sam 11). Der Ausgangspunkt war der Blick auf die Frau; dann hat er sich seinem Begehren ausgeliefert, statt die entflammte Lust zu beherrschen.

Wie also sollen wir mit der Reizüberflutung umgehen, besonders mit jenen unreinen Bildern, die sich oft in den Medien, aber auch auf Plakaten und in Werbungen verschiedenster Art präsentieren? Wie kann man sich der Suggestivkraft dieser Bilder entziehen?

Es gibt eine radikale Lösung, die aber für die meisten Menschen äußerlich nicht umsetzbar ist! Der Heilige Charbel aus dem Libanon hat sie praktiziert! Da er um seine Gefährdung in Bezug auf die Augenlust wußte, hat er immer auf den Boden geschaut. In dieser Radikalität steckt jedoch eine für uns wichtige Botschaft.

Geistig gesehen sollten wir die Augen vor allem verschließen, was uns in Bezug auf unser geistliches Leben gefährlich werden kann. Wohl können wir nicht verhindern, daß über die Augen Bilder in uns einströmen, aber wir können uns mit der Hilfe Gottes sehr wohl entscheiden, sie tiefer in uns eindringen zu lassen oder nicht.

Es gilt hier wiederum ähnliches wie beim Hören und Reden: Wir entscheiden nach den Kriterien der christlichen Klugheit. Wir müssen den Wert erkennen und bestimmen, den wir den Bildern geben und gemäß unserer Entscheidung handeln.

Der Blick auf das Kreuz des Herrn und auf seine Mutter darf z.B. lange und tief sein. Er kann unsere Liebe erwecken, und gerade diese Liebe in ihrem unvergleichlichen Wert läßt uns schneller das Lieblose und Oberflächliche anderer Bilder erkennen. Je mehr wir unsere Augen an das wahrhaft Schöne binden, desto weniger werden wir unsere Blicke einfach so schweifen lassen. Denken wir z.B. an die religiöse Kunst: Sie kann eine Hilfe sein für die Verinnerlichung des Glaubens. Welche Leere hinterlassen aber entstellte Machwerke, die leider auch Eingang in manchen modernen Kirchen gefunden haben.

Wir brauchen also einen bewußten Umgang mit der Welt der Bilder. Wenn wir die ganze Freiheit der Kinder Gottes gewinnen wollen, stehen für uns ähnliche Entscheidungen an.

Mir wurde die Geschichte eines Priesters erzählt – mag sie wahr sein oder einfach nur zur Belehrung gegeben. Der Blick dieses Priesters fiel auf eine sehr schöne Frau. Er sprach dann mit Jesus darüber, und der Herr antwortete ihm: “Du hast sie ein Mal angeschaut – schau kein zweites Mal zu ihr hin!”

Wenn wir nun alle drei Betrachtungen über das Hören, Reden und Sehen zusammen anschauen, verstehen wir, was Antonius, der Wüstenvater damit meint, wenn er sagt, daß er sie in der Wüste zurückläßt, um dann den Kampf gegen die Unreinheit zu führen. Im rechten asketischen Umgang mit den Ohren, dem Mund und den Augen wird der innere Mensch gestärkt, damit sich die inneren Ohren öffnen, der Mund weise Worte spricht und die inneren Augen aufgehen.

Der Kampf gegen die Unreinheit wird dann von einem anderen Ausgangspunkt und mit einer größeren inneren Stärke geführt werden können, als wenn uns noch die Zerstreuung der Sinne gefangen hält.