2 Joh 4-9
Von Gott auserwählte Herrin! Ich habe mich sehr gefreut, unter deinen Kindern solche zu finden, die in der Wahrheit leben, gemäß dem Gebot, das wir vom Vater empfangen haben. Und so bitte ich dich, Herrin, nicht als wollte ich dir ein neues Gebot schreiben, sondern nur das, das wir von Anfang an hatten: daß wir einander lieben sollen. Denn die Liebe besteht darin, daß wir nach seinen Geboten leben. Das Gebot, das ihr von Anfang an gehört habt, lautet: Ihr sollt in der Liebe leben. Viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen; sie bekennen nicht, daß Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist. Achtet auf euch, damit ihr nicht preisgebt, was wir erarbeitet haben, sondern damit ihr den vollen Lohn empfangt. Jeder, der darüber hinausgeht und nicht in der Lehre Christi bleibt, hat Gott nicht. Wer aber in der Lehre bleibt, hat den Vater und den Sohn.
“Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.” (Joh 14,21), sagt uns der Herr. Es ist also nicht an erster Stelle ein überwältigendes Gefühl der Liebe – wobei dies ein schönes Geschenk ist, das wir nicht verachten sollten – sondern es geht darum, in der Wahrheit zu leben. Johannes will nur an das erinnern, was die Gemeinde schon weiß, und es ist hier der Heilige Geist, der durch ihn spricht; sie haben es schon von Anfang an gehört. Denken wir daran, daß es der Heilige Geist ist, der uns an all das erinnert, was Jesus gesagt und getan hat (Joh 14,26)!
Als Katholiken wissen wir recht gut, was der Herr von uns möchte, und es ist überaus wohltuend, wenn wir durch klare Predigten, Vorträge oder ähnliche Worte an die Schönheit des katholischen Glaubens erinnert werden. Es ist wie klares Wasser, das vom Thron des Lammes ausgeht (vgl. Apk 22,1), selbst wenn wir das alles schon gehört haben. Wird es uns in rechter Weise vermittelt, dann atmet die Seele auf, sie fühlt sich zu Hause in der Wahrheit. Verwirrt und überschattet wird sie jedoch, wenn diese Wahrheiten nicht mehr klar gesagt werden, wenn Widersprüche und Unsicherheiten Nebelwolken erzeugen, Halbwahrheiten und Irrtümer um sich greifen, wenn man nicht mehr von Gott, sondern vom Menschen her denkt.
Wir kennen ja die Zusammenfassung der Gebote, die wir befolgen sollen. Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst (vgl. Mk 12,30-31). Das sind die Leitplanken für ein Leben in der Wahrheit.
Nun hat sich die Liebe Gottes in besonderer Weise im Kommen seines Sohnes offenbart. In der wahren Liebe leben bedeutet, auf die Liebe Jesu mit ganzem Herzen zu antworten, in seinem Wort zu bleiben, entsprechend zu handeln und so am Reich Gottes mitzuarbeiten, welches der Herr für alle Menschen vorgesehen hat. Wer das tut, ist Licht in einer Welt, die von der Sünde und dem Irrtum versklavt ist (vgl. Mt 5,14).
Deshalb ist es kein Wunder, daß Verführer kommen und diese Wahrheit des Kommens des Gottessohnes in diese Welt verdunkeln wollen. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Man kann das Kommen des Herrn ganz verleugnen, man kann ihn unter die Propheten und Weisheitslehrer einreihen (vgl. Mt 16,13-14), man kann ihn esoterisch entpersonalisieren, man kann ihn nur als Wohltäter der Menschheit betrachten, als jemand, in dessen Namen man um die politische Befreiung unterdrückter Menschen kämpft und vieles mehr. Alle irrigen Vorstellungen haben eines gemeinsam: Sie erkennen die Liebe des Vaters nicht richtig, der seinen Sohn zur Erlösung gesandt hat (vgl. 1 Joh 4,14), und gehen so am großen Geschenk des Glaubens vorbei.
Hinter diesem Geist, welcher den Zugang zur rechten Erkenntnis des Messias versperrt, steht der Verführer und Antichrist, wie es uns Johannes erkennen läßt, und er warnt uns dann, daß wir nicht preisgeben sollen, was wir erarbeitet haben, und daß wir in der Lehre Christi bleiben sollen (vgl. 1 Joh 4,3).
Hier ist nun ein wichtiger Schluß zu ziehen: Zur wahren Liebe, zum Leben in der Wahrheit gehört die rechte Lehre. Das kann – gerade in der heutigen Zeit – nicht oft genug gesagt werden. Wer nicht in der Lehre bleibt, hat Gott nicht, so sagt es der Text.
Deshalb die Mahnung an alle Gläubigen: Haltet an der rechten Lehre fest, auch wenn manche etwas anderes erzählen! Der Antichrist wird die Lehre des Evangeliums relativieren und umdeuten wollen. Er wird in der Kirche willige Helfer finden – und hat sie schon gefunden. Es mag zunächst kaum sichtbar und spürbar sein, dann aber wird das Gift der falschen Lehre immer mehr den Leib Christi durchdringen.
Deshalb ist die heutige Mahnung des Apostels von großer Bedeutung: Bleiben wir in der Lehre Christi, dann haben wir den Vater und den Sohn; und leben wir in der Liebe!