Nachdem wir gestern Ratschläge des seligen Heinrich Seuse betrachtet haben, haben wir am heutigen Tag die Freude, wiederum einem sehr guten geistlichen Lehrer zu begegnen: Es ist der heilige Franz von Sales. Er lebte von 1567-1622, bekleidete das Amt eines Bischofs, wurde zum Ordensgründer und hinterließ geistliche Schriften, die von seinem reichen geistlichen Leben zeugen. Die bekanntesten und sehr wertvollen sind die „Philothea“ und „Theotimus“. Franz von Sales galt als der Heilige der Sanftmut, der sich das ganze Leben mühte, seine zornmütige Natur zu besänftigen. Er war ein guter Seelsorger und der geistliche Vater der heiligen Franziska von Chantal. Seine Lehre war nicht nur auf Ordensleute bezogen, sondern sollte auch Menschen, die in der Welt leben, Hilfe auf dem Weg der Vollkommenheit sein. Besonders die „Philothea“ ist ungemein wertvoll und kann heute noch von jedem, der seinen geistlichen Weg vertiefen möchte, mit Gewinn gelesen werden!
Hören wir ihm ein wenig zu und versuchen wir, aus der Sammlung seiner Weisheitssprüche für uns Nutzen zu ziehen:
Meine Vergangenheit
kümmert mich nicht mehr,
sie gehört dem göttlichen Erbarmen.
Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist (Phil 3,13)! ruft uns auch der heilige Apostel Paulus zu, dessen Fest wir morgen begehen. Es ist nicht einfach das Vergessen oder gar das Verdrängen von unangenehmen Dingen der Vergangenheit, von Schuld und Versagen. Das ist nicht gemeint, sondern, daß diese Vergangenheit in das Erbarmen Gottes gelegt wurde, damit also an Gott abgegeben wurde. Wenn die Schuld in der heiligen Beichte mit der entsprechenden Reue vergeben wurde, dann schenkt uns Gott einen Blick nach vorn. Er rechnet uns die Sünden nicht mehr an und wirft sie uns nicht etwa nach! Die Erinnerung an die Schuld kann nun dazu dienen, Barmherzigkeit mit anderen Menschen zu haben, uns immer wieder an die vergebende Liebe Gottes zu erinnern und uns wachsam auf unseren weiteren Weg zu begeben.
So können wir die Vergangenheit nutzen, aber sie soll uns nicht durch Kummer betrüben und wir sollten sie auch nicht, z.B. durch ständige Selbstvorwürfe, zurückholen und sie aus dem Meer der Barmherzigkeit Gottes herauslösen – im schlimmsten Fall sogar dem Machtbereich des Anklägers überführen! Dies sollten wir wirklich aufmerksam beherzigen, denn es ist der Ankläger, der sich gerne solcher Situationen bedient, um den Menschen entsprechend zu plagen. Was für uns gilt, gilt auch für andere Menschen. Wenn sie umkehren und Gott ihnen die Schuld vergibt, dann müssen auch wir ihnen die Chance geben, neu anzufangen und sie nicht durch unsere Anklagen an ihre Vergangenheit binden!
Meine Zukunft
kümmert mich noch nicht,
sie gehört der göttlichen Vorsehung.
Hiermit sind die Sorgen in die Zukunft gemeint, die unseren Geist oft so unnötig beschäftigen und uns die geistliche Realität verlieren lassen, daß Gott die Zukunft in den Händen trägt. Das soll jedoch nicht nur ein frommer Wunsch sein, sondern eine lebensvolle Wirklichkeit. Dazu gehört, daß wir uns innerlich erziehen und den Sorgengeist durch das Gebet in die Schranken weisen! Mit diesem Wort des Heiligen sind sicher nicht die berechtigten Dinge gemeint, die in unserer Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft stehen, wohl aber das unnötige Sich-Beschäftigen mit Umständen, die wir zudem oft gar nicht in der Hand haben, aber trotzdem mit unseren Gedanken um sie kreisen! Hier ist ein grundsätzlicher Akt in das Vertrauen zu Gott angefragt, den wir dann immer wieder konkretisieren sollten, wenn wir anfangen, uns unnötige Sorgen zu machen. Denken wir einmal darüber nach, ob wir im Geheimen vielleicht auch gar nicht richtig loslassen wollen, weil diese Sorgen schon so sehr zu unserem Leben gehören, daß sie schon wie zu unserer Identität zu gehören scheinen!
Was mich kümmert und fordert,
ist das Heute.
Das aber gehört der Gnade Gottes
und der Hingabe meines guten Willens.
Mit diesem Wort kommt der Heilige auf das Wesentliche zu sprechen. Es gilt, das Heute zu leben! Damit gestalten wir die Zukunft. Diese Gegenwart wird ebenfalls von der Gnade Gottes durchdrungen, aber hier sind wir die Mitarbeiter des Herrn. Unsere Hingabe an ihn erlaubt Gott, daß seine Gnade alle Momente unseres Lebens bestimmen kann, und dies wird uns zu jener Gelassenheit führen, von der wir gestern, am Tag des seligen Heinrich Seuse, in der Betrachtung gehört haben!
Eine Gelassenheit in der Sicherheit, in Gottes Gnade zu leben, verbunden mit der Aufmerksamkeit, seine Führungen wahrzunehmen und entsprechend darauf zu antworten – das macht unser Leben wachsam und konzentriert es auf das Eine, was das Wichtigste ist: Gott vor allem und in allem zu suchen und in ihm zu leben.
So wird jeder Tag zu einem Auftrag des Herrn im Großen und im Kleinen, in Gesundheit und Krankheit, im Frieden oder im Kampf. Wir lernen, im “Kairos“ zu leben, das heißt im “Jetzt Gottes“, was für uns durch den Herrn weit geöffnet wurde!