Am Vortag des Beginns der Fastenzeit möchte ich noch ein Thema ansprechen, welches für den geistlichen Weg nicht unwichtig – wenngleich auch nicht zentral – ist! In den vergangenen Wochen haben wir wahrnehmen können, wie der Herr uns Schritt für Schritt intensiver auf dem Weg der Nachfolge Christi führen möchte! Alles hängt von seiner Gnade – aber auch von unserer bewußten Mitwirkung – ab! Wenn nun in den kommenden Wochen wieder die Schriftbetrachtungen im Vordergrund stehen, bei denen ich meistens auf die der Fastenzeit 2017 und 2018 zurückgreife, dann werden doch Elemente des geistlichen Weges immer wieder zur Sprache kommen! So wie wir das Wort Gottes immer wieder – möglichst täglich – hören und auch die Hl. Messe nicht versäumen sollten, ähnlich wichtig ist es, uns immer wieder an unseren geistlichen Weg zu erinnern und auf die Weisungen des Heiligen Geistes zu achten, damit wir das tun, was an uns liegt, um in der Liebe wachsen können!
Neben der allgemeinen Trägheit unserer menschlichen Natur und ihrem durch die Erbsünde verdunkelten Zustand, tragen wir manchmal noch andere Lasten mit uns, deren wir uns oft nicht bewußt sind! Es sind eine Art von Ketten, die uns halten, binden, fesseln oder lähmen, und wir gewinnen den Eindruck, daß wir trotz aller aufrichtigen Anstrengungen kaum weiterkommen und u.U. immer wieder in dieselben Fehler zurückfallen!
Ein erfundenes Beispiel mag uns das Gesagte vor Augen führen:
Ein junges Mädchen, nennen wir sie Laura, geht einen ernsthaften Weg der Nachfolge Christi und versucht alle Schritte, die dazu nötig sind, auch zu tun! Sie hat jedoch eine große Schwäche, die ihr zu schaffen macht: Sie ist extrem naschhaft! Sie merkt dies und will diese Schwäche angehen, denn sie belastet nicht nur ihre Seele, sondern auch ihren Leib und zudem spürt sie, daß sie an diesem Punkt keine wirkliche Freiheit besitzt! Es ist auch nicht so, daß es ihr nur manchmal passiert, ihrer Sucht nach Süßigkeiten nachzugeben, sondern es geschieht ihr ständig! Nach der Schule kommt sie bei einer Bäckerei vorbei und nie schafft sie es, daran vorbeizugehen, ohne sich Kuchen zu kaufen! Auch ihr Geldbeutel wird davon belastet und sie betet darum, daß der Herr ihr doch helfen möge! Zu Beginn der Fastenzeit macht sie einen neuen Anlauf! Sie umgeht bewußt die Straße, schafft es zwei Mal und ist sehr glücklich! Doch am dritten Tag gelingt es ihr nicht, und das alte Problem taucht umso größer wieder vor ihrem geistigen Auge auf mit den entsprechenden Problemen! Sie fragt sich, ob sie süchtig ist!
Wenn wir nun ein wenig in Lauras Lebensgeschichte hineinschauen, um zu sehen, ob uns ein Grund auffällt, der uns einen Hinweis geben könnte, warum sie trotz ernsthaften Gebetes und eigener Anstrengung dieses Problem nicht in den Griff bekommt, fällt uns folgendes auf:
Laura erlebt keine Geborgenheit in ihrem Elternhaus! Die Ehe der Eltern war unglücklich und sie hatten wenig Zeit für sie, später waren sie sogar getrennt! Die Mutter litt sehr unter der Trennung und schaffte es kaum, sich um ihre Kinder zu kümmern! Laura verspürte einen großen Mangel an Liebe, und Zärtlichkeiten kannte sie kaum! Ihre Mutter versuchte sie zu trösten und ihren Mangel irgendwie auszugleichen! Sie brachte ihr deshalb von der Arbeit regelmäßig Süßigkeiten mit, es war die Art, wie sie ihre Zuneigung zu der Tochter zeigen wollte! So waren die Süßigkeiten für Laura eine Art Liebesersatz, welcher die innere Leere, die durch den Mangel aus Liebe entstand, füllte!
Von diesem einfachen Beispiel aus gesehen verstehen wir, was bei Laura geschah und warum sie nicht an der Bäckerei vorbeikam, ohne sich etwas zu kaufen! Es war primär nicht die Sucht nach Süßigkeiten, sondern das Gefühl, welches sich mit dem Erwerb des Kuchens verband: Eine Art falsche Geborgenheit, die unbewußte Erinnerung an die Mutter, welche ihr auf diese Weise ihre Liebe zeigen wollte!
Laura braucht also eine tiefere Begegnung mit Gott und muß ihren emotionalen Mangel nicht durch äußeren Ersatz verdrängen, sondern ihn Gott hinhalten, der allein sie zu heilen vermag! Denn wenn sie objektiv und subjektiv zu wenig Liebe erfahren hat, kann dies nicht durch eine menschliche Liebe geheilt werden! Sie würde sich sehr leicht von Menschen abhängig machen! Es sollte ihr bewußt werden, daß sie eine emotionale Last mit sich trägt, damit sie diese zu dem hinträgt, der gesagt hat: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ (Mt 11,28)
Nur eine Liebe, die schon immer da war, da ist und da sein wird, kann den Mangel ausgleichen, welcher in Laura so schmerzhaft lebt! Sie muß sich auf einen längeren Weg gefaßt machen und immer wieder ihre innere Leere zum Heiligen Geist hin öffnen! Es wird dann besser werden und Gott kann mit seiner Liebe den Mangel nicht nur ausgleichen, sondern sie sogar fähig machen, anderen Menschen in ähnlichen Situationen zu helfen!
Jeder wird verstehen, daß ich mit Laura alle anspreche, die vielleicht unbewußt Lasten tragen und sich schwer tun, auf dem Weg der Nachfolge voranzuschreiten, obwohl sie besten Willens sind! Es muß nicht immer sein, daß wir genau wissen, was uns belastet, obwohl der Herr dies auch schenken kann! Doch können wir den Heiligen Geist bitten, auf die Fürsprache Mariens all das zu berühren, was uns ohne unsere Schuld zur Last geworden ist! Es können sogar unbekannte Familienlasten sein, die wir mitzutragen haben!
Eine Betrachtung an einem Tag reicht nicht aus, um all die Aspekte der Heilung von noch wirksamen Wunden aus dem Unbewußten anzusprechen! Das ist dann eher ein Thema für Exerzitien! Doch hoffe ich, daß „unsere Laura“ uns einlädt, in der nun kommenden Fastenzeit auch unser Unbewußtes dem Herrn hinzuhalten und ihn zu bitten, alles durch seine Liebe zu heilen, was noch der Heilung bedarf!