Bevor wir wieder in den Rhythmus der täglichen Auslegungen zurückkehren, möchte ich noch einen wertvollen Text nachschieben, der mir zugesandt wurde. Er hilft zu erkennen, warum ich in den letzten Tagen recht deutliche Worte gewählt habe, um die Irritationen in der Welt und in der Kirche in Zusammenhang mit dem Wirken Luzifers zu stellen. Er stammt aus der Enzyklika Pascendi Dominici Gregis vom Heiligen Pius X. An seinem Gedenktag hatte ich den Text für den 22. August über dieses sensible Thema verfaßt…
„…Man muß bekennen: Die Zahl der Feinde des Kreuzes Christi ist in dieser letzten Zeit gewachsen; mit ganz neuen und verschlagenen Kunstgriffen suchen sie die Lebenskraft der Kirche zu zerstören und möchten gerne, wenn sie könnten, das Reich Christi selbst von Grund auf vernichten. Darum dürfen Wir nicht länger schweigen; sonst setzen Wir Uns dem Schein aus, unser heiligstes Amt zu versäumen, und Unsere bisher in der Hoffnung auf bessere Einsicht gezeigte Güte könnte als Pflichtvergessenheit beurteilt werden. In dieser Sache unverzüglich vorzugehen, fordert vor allem die Tatsache, dass die Anhänger der Irrtümer nicht mehr nur unter den offenen Feinden zu suchen sind, vielmehr – das ist das Allerschmerzlichste und Furchtbarste – im Herzen und Schoße der Kirche selbst verborgen sind, um so schädlicher, je weniger sichtbar sie sind.“ (Pius X, Enzyklika Pascendi Dominici Gregis, 1,2)
Jetzt gehen wir über zur Lesung von heute, dem XXI. Sonntag des Jahreskreises:
Röm 11,33-35
O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm etwas gegeben, sodaß Gott ihm etwas zurückgeben müßte? Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.
Dieser Ausruf kommt aus dem Herzen und dem Geist des Heiligen Paulus, welcher die wunderbaren Führungen Gottes erkennt, trotz der Widerstände des Volkes Israel! Ihm ist eine große Erkenntnis Gottes geschenkt, und wir wissen sogar aus seinen eigenen Worten, daß Gott ihm ein bestimmtes Leiden ließ, damit er sich wegen seiner hohen Erkenntnisse nicht überhebe (vgl. 2 Kor 12,7)!
Mit diesem wunderbaren Ausruf gibt der Heilige Paulus uns einen guten Rat! Wir können die Wege Gottes nicht überschauen. Oft stehen wir vor Situationen, die für uns unbegreiflich sind. Wenn wir sie mit unserer begrenzten Erkenntnis verstehen wollen, könnten wir sogar irre daran werden.
Denken wir z.B. an den überraschenden Tod eines Kindes oder eines anderen geliebten Menschen oder – wenn wir in die Geschichte schauen – an den furchtbaren Tod so vieler Juden in der Zeit des Hitlerwahnsinns. Wer kann das erklären? Wer kann es begreifen?
Hier sind wir eingeladen zu vertrauen: Natürlich gilt dies nicht nur für solche dramatischen und schmerzlichen Ereignisse sondern insgesamt. Wir können Gott besser verstehen lernen, wenn wir uns seinen Wegen anvertrauen; dann wird es uns vielleicht im Nachhinein geschenkt, etwas von der Weisheit Gottes zu verstehen, warum er dies oder jenes geschehen ließ!
Sich so anzuvertrauen ist jedoch nicht etwa eine resignative Haltung, in der man sich sagt: „man kann es sowieso nicht wissen““, in der wir vielleicht Gott unbewußt vorwerfen, daß wir nicht erkennen können, wie sich die Dinge verhalten. Nein, es ist ein ganzes Ja, daß Gott die Dinge weiß und alles zum Guten führt.
Es sind dann die Akte des Glaubens, durch die wir unser Herz, unseren Verstand, unseren Willen und auch die Emotionen ganz unter die Liebesherrschaft Gottes stellen. Wenn wir die wunderbaren Führungen Gottes erkennen können, dann jauchzen wir von selbst und der Lobpreis steigt aus dem Herzen auf. Dann ist es leicht, in diesen Ausruf des Heiligen Paulus einzustimmen. Ist es hingegen dunkel und wir sehen nichts, dann ist der Glaube, der uns nicht verzweifeln läßt, unser helles Licht.
Grundlage für dieses Vertrauen ist die Erkenntnis der Liebe Gottes, um die wir immer bitten dürfen und die wir auch bei wachsender Liebe immer mehr wahrnehmen. Die Liebe schließt uns das Erkennen Gottes erst richtig auf, und mit diesem Erkennen kommt die innere Sicherheit auf all den Wegen, die Gott uns bereitet!
Betrachten wir es in der richtigen Weise, dann erleichtert und erfreut diese Erkenntnis des Heiligen Paulus auch uns sehr! Wir brauchen als Menschen – trotz all unserer enormen Erkenntnisse, die Gott uns in der Erforschung der Natur usw. geschenkt hat – die rechte Demut, um die herrlichen Wege Gottes wahrzunehmen. Sie sind nicht so, wie eine für uns einsehbare Logik, welche die Gesetze der Natur durchzieht. Der Mensch funktioniert nicht wie eine Maschine, sondern Gott hat ihn als ein freies Gegenüber erschaffen.
Durch den Sündenfall ist eine Situation eingetreten, die Gott in seinen Plan integriert hat. Die vielen Verfehlungen der Menschen, ihre großen Sünden und ihre Irrtümer, aber auch ihr guter Wille, der Gehorsam gegenüber Gott und die positive Entfaltung der Gaben, die Gott ihnen anvertraut hat, bilden einen wesentlichen Bestandteil der Geschichte der Menschen! Diese möchte Gott ihrer Bestimmung zuführen.
Die Geschichte ist dadurch nicht einfach ein Prozess, der selbstverständlich im Guten enden wird. Nein, sie ist eine Auseinandersetzung zwischen denen, die Gott gehorchen, ihm dienen wollen und mitwirken, daß diese Welt zu einem Reich Gottes wird, und jenen Menschen, die in ihrer Unkenntnis oder auch Verblendung in Gefahr sind, den Plänen des Teufels zu dienen. Dann gibt es noch Menschen, die durch eine selbst herbeigeführte Verblendung ihres Willens böse geworden sind.
Der wunderbar geschaffene hohe Engel, der Luzifer genannt wird, hat seine Freiheit mißbraucht und möchte in seinem Wahn die Werke Gottes zerstören. Er arbeitet unermüdlich daran, die Menschen auf seine Seite zu ziehen und eine Diktatur des Bösen zu errichten. Wir haben uns ja in den letzten Tagen uns mit diesem Thema intensiver beschäftigt…
All das bezieht Gott in sein Handeln ein, und er wird alle, die ihm vertrauen und auf ihn hören, dorthin führen, wo er sie haben möchte.
So kann der Heilige Paulus, staunend über die Weisheit Gottes, gleichzeitig traurig sein, daß sein Volk in großer Zahl Jesus nicht als Messias erkannte und zurückwies, sich zugleich aber zu diesem Lobpreis erheben. Gott kann alles in seinen Plan einbeziehen, er allein weiß alles. Man kann ausrufen: Gott sei Dank ist es so, daß seine Weisheit die Welt regiert und nicht jene Kräfte der Zerstörung, die zwar – äußerlich gesehen – zu siegen scheinen, doch in Wirklichkeit bereits besiegt sind, denn Gott wird die Seinen nie dem Verderben überlassen!