485. Kleine Vaterbetrachtung
“Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.” (Mt 22,37)
Wir kennen alle dieses Gebot (Dtn 6,5), welches uns Jesus noch einmal vor Augen stellt. Es ist das erste und wichtigste der Gebote. Wenn es befolgt wird, ergeben sich daraus die aufrichtigen Bemühungen, auch das Gebot der Nächstenliebe zu erfüllen, in dem wir die anderen Menschen als geliebte Kinder Gottes achten lernen.
Wie können wir den Herrn mit all unseren Gedanken lieben und so auf die Liebe des Vaters antworten, der seinerseits immer an uns denkt? Steht uns da nicht unsere zerstreute Natur unausweichlich im Weg? Selbst ein Heiliger Paulus bekannte ja, daß er nach dem Gesetz des Geistes leben will, es jedoch ein anderes Gesetz in ihm gibt, welches sich dem entgegenstellt (Röm 7,23).
Als Erstes wäre es gut, sich zu vergegenwärtigen, daß es sich um eine Einladung der Liebe handelt, wie ja das ganze Gebot von der Liebe spricht. Dann wäre zu bedenken, daß unser Vater nicht etwas von uns erbitten und erwarten wird, was wir gar nicht erfüllen können.
Also muß es einen Weg gehen.
Schauen wir einmal auf eine große menschliche Liebe: Ist es nicht so, daß man besonders im ersten Stadium der Verliebtheit ständig an die andere Person denkt, daß man seine Pflichten möglichst rasch erledigt, um sich ganz dem Anderen zuzuwenden. Ist es nicht auch so, daß man viele Gewohnheiten zurückläßt, um mit dem Geliebten alles unternehmen zu können? Kreisen nicht die Gedanken um die geliebte Person und alles andere tritt in den Hintergrund? Ist es nicht so, daß dies – wenn es sich um eine echte Liebe handelt – in eine immer tiefer gehende Herzensvereinigung mündet und so die innigste Verbindung selbstverständlich wird, sowie das Denken an die Person? Und wenn einmal eine räumliche Trennung da ist, hält man da nicht Kontakt, stellt sich ein Foto auf usw.?
Wir sehen also, daß bei einer starken menschlichen Liebe diese von unserem Vater angesprochenen Elemente erkennbar sind.
Das müßte dann erst recht mit Gott möglich sein, dem Quell aller Liebe, auch wenn unsere physischen Augen ihn nicht sehen.
Das Thema wird fortgesetzt…