215. Kleine Vaterbetrachtung
“Ob ich sitze oder stehe, Du weißt von mir. Von ferne erkennst Du meine Gedanken.” (Ps 139,2)
In dem Wissen zu leben, daß alles, was wir tun, von dem liebenden Blick unseres himmlischen Vaters wahrgenommen wird, ist uns in vielerlei Hinsicht eine unendliche Gnade.
Der Heilige Benedikt hielt seine Mönche an, sich immer der Gegenwart Gottes bewußt zu sein, und eine Heilige Teresa von Avila legte ihren Schwestern ans Herz, bei der Verrichtung des Stundengebetes daran zu denken, an wen sie sich wenden.
In der immerwährenden Gegenwart unseres Vaters zu leben und sich dies stets neu bewußt zu machen, gibt unserem irdischen Dasein bereits eine gewisse Anteilnahme am tiefsten Geheimnis unseres Lebens: In der Ewigkeit Gott zu schauen, wie er ist, und ihn für immer genießen zu können.
Welche Freude ist es, daß wir für unseren himmlischen Vater so wichtig sind und uns allezeit in seiner aufmerksamen Obhut befinden. Welcher Trost kann dies in einsamen Stunden sein oder dann, wenn wir merken, daß andere Menschen uns nicht richtig verstehen.
Wie beruhigend und gleichzeitig aufweckend ist es, daß Gott die Gedanken unseres Herzens kennt und in jene Tiefen hinabsteigt, die wir nicht zu erfassen vermögen. Wir können uns ihm unbeschränkt anvertrauen.
Gleichzeitig lehrt uns das Bewußtsein, vor dem Antlitz unseres liebenden Vaters zu leben, über all unsere Gedanken, Worte und Werke gut zu wachen, damit sie sich nicht in Bahnen bewegen, die ihm mißfallen könnten. Das wiederum kann unserem geistlichen Weg einen großen Auftrieb geben, denn das Maß des Fortschrittes im geistlichen Leben hängt mit dem Wachstum in der Liebe zusammen. Und wer würde sich nicht bemühen, unserem Vater die Antwort zu geben, die ihm gebührt?