DIE WAHRHEIT IN DER LIEBE

412. Kleine Vaterbetrachtung

“Sende mir, o Herr, sende in mein Herz die Besänftigung, die Milde deines Geistes, damit ich nicht durch die Liebe zur Wahrheit dazu verleitet werde, die Wahrheit der Liebe zu verlieren.” (Heiliger Augustinus)

Die Wahrheit in Liebe verkünden und in der wahren Liebe leben, das ist es, was unser Zeugnis zutiefst glaubwürdig machen würde und das ist es auch, was unsere Kirche für ihre Erneuerung nötig hat.

Wir lernen dies durch den Herrn, durch den Geist, der in unsere Herzen eingegossen ist und ruft: “Abba, Vater!” (Gal 4,6)

Wenn wir am Wesen unseres Vaters Anteil nehmen, wird er selbst uns verwandeln, sodaß wir nicht mit unserem oft noch wenig erleuchteten Blick den Menschen begegnen; und damit wir nicht durch ungezügelte Leidenschaften über das Ziel hinausschießen, sondern in seinem Licht handeln.

Jesus stellt es uns immer wieder vor Augen: Als die Jünger mit dem Herrn unterwegs waren und erlebten, daß er zurückgewiesen wurde, wollten sie in ihrem Eifer zur Vergeltung Feuer vom Himmel herabrufen (Lk 9,54). Doch der Herr sagt in seiner unvergeßlichen Weise: “Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.” (Lk 5,32).

Die Weise unseres Vaters ist also eine andere:

Ohne auch nur ein Jota vom heiligen Gesetz abzuweichen oder etwa die Forderungen des Gesetzes zu relativieren; ohne zu verschweigen, daß Verfehlungen gegen die Gebote Konsequenzen mit sich bringen, sucht er unermüdlich nach den Seelen, um sie zu retten. Das ist immer der Beweggrund Gottes: seine unauslöschliche Vaterliebe. Deshalb sendet er uns seinen Sohn, der bis in die letzten Tiefen der Verlorenheit des Menschen hinabsteigt, um ihn zu retten.

Eine solche Liebe möchte der himmlische Vater auch in uns erwecken: zu suchen, was verloren ist (Lk 19,10), heimzuführen, was sich verirrt hat, und um den Menschen zu kämpfen bis zu seinem letzten Atemzug – also in Gottes Liebe und so in der Wahrheit der Liebe zu leben.