“Sünde mit Demut verbunden ist besser als Tugend ohne Demut.” (Heiliger Augustinus)
Auf den ersten Blick kann dieses Wort des großen Augustinus sehr gewagt erscheinen. Wenn man es genauer anschaut, wird es verständlicher.
Sicher hat der Heilige gerade jene Menschen im Blick, die immer wieder um den rechten Weg kämpfen, aber manchmal ihren Versuchungen erliegen. Sie bitten dann ihren Herrn um Vergebung, demütigen sich in rechter Weise vor ihm und versuchen es dann wieder von Neuem. Sie geben den Kampf nicht auf. Ihre Niederlagen erinnern sie an zweierlei: an die Barmherzigkeit unseres himmlischen Vaters, die immer bereit ist zur Vergebung. Das erweckt ihre Dankbarkeit. Und die Erinnerung an ihre eigenen Schwächen, die sie demütig zu machen vermögen.
Kann hier also unser Vater einem Sünder leicht zu Hilfe eilen, so ist es bei jemand, der sich seiner Tugend rühmen würde oder zumindest innerlich auf sie stolz ist, sehr viel schwieriger. Nehmen wir z.B. die Tugend der Klugheit oder der Tapferkeit. Es kann geschehen, daß der Mensch beginnt, sich mit seiner Tugend aufzublähen und den Wert seiner Person darauf aufbaut und das anderen Menschen vermitteln möchte. Dann entsteht sozusagen eine Art Wolke um ihn herum mit einer unfruchtbaren Selbstbezogenheit, die dem Herrn den Weg zu seinem Herzen verstellt. Unser Vater muß dann zuerst einmal versuchen, ihn dazu zu führen, seinen Stolz zu überwinden, was nicht einfach ist, wenn der Stolz sich mit einer an und für sich guten Gabe des Herrn vermischt hat.
So wird das Wort des Heiligen verständlich, denn nichts verschließt uns Gott gegenüber mehr als der Stolz, während der Demütige die liebende Zuwendung Gottes und die eigene Begrenztheit sehr viel leichter wahrnehmen wird.