Apk 1,1-4.2,1-5a
Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen Knechten zeigt, was bald geschehen muß; und er hat es durch seinen Engel, den er sandte, seinem Knecht Johannes gezeigt. Dieser hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt: alles, was er geschaut hat. Selig, wer diese prophetischen Worte vorliest und wer sie hört und wer sich an das hält, was geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe. An den Engel der Gemeinde in Ephesus schreibe: So spricht Er, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält und mitten unter den sieben goldenen Leuchtern einhergeht: Ich kenne deine Werke und deine Mühe und dein Ausharren; ich weiß: Du kannst die Bösen nicht ertragen, du hast die auf die Probe gestellt, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner erkannt.
Du hast ausgeharrt und um meines Namens willen Schweres ertragen und bist nicht müde geworden. Ich werfe dir aber vor, daß du deine erste Liebe verlassen hast. Bedenke aus welcher Höhe du gefallen bist. Kehr zurück zu deinen ersten Werken!
Mit den Worten aus dem Buch der Apokalypse ist eine besondere Verheißung verbunden, wie wir es heute hören: “Selig, wer diese prophetischen Worte vorliest und wer sie hört und wer sich an das hält, was geschrieben steht, denn die Zeit ist nahe.”
Die Zeit ist nahe! Wenn dies schon vor so langer Zeit gesagt wurde, dann ist diese Zeit, in welcher die Geschichte des Heils ihre Vollendung finden wird, noch näher gerückt.
Heute hören wir ein Wort des erhöhten Herrn an die Gemeinde in Ephesus. Es ist die Gemeinde, in welcher der Heilige Paulus zwei Jahre wirkte. Manche vermuten, daß der Apostel Johannes zusammen mit der Jungfrau Maria (vgl. Joh 19,26-27) dort gelebt hat. Daß der Apostel Johannes sich in Ephesus aufhielt, nachdem er in Patmos war, ist von Eusebius bezeugt, und Johannes starb dort in der Regierungszeit des Kaisers Trajan (zwischen 98 und 117 n.Chr.).
Wir hören zunächst, wie die Gemeinde gelobt wird, indem ihre guten Seiten hervorgehoben werden. Wenn wir lesen, daß das Wort “an den Engel der Gemeinde” gerichtet ist, und viele Exegeten darin den Bischof der Gemeinde sehen, kann es sicher auch so verstanden werden, daß der Herr allgemein den Zustand der Gemeinde beschreibt.
Der Herr spricht ein Lob für die guten Werke aus, und vieles wird genannt, was nachahmenswert ist. Wir könnten uns fragen: Was fehlt denn einer solchen Gemeinde noch? Warum kommt nach dem Lob ein solcher Vorwurf des Herrn, sodaß sogar bei einer nicht erfolgten Umkehr der Leuchter weggerückt werden könnte (Vers 5b)?
Manche Bibelausleger vermuten, die Gemeinde in Ephesus habe einen Vorbildcharakter für die anderen Gemeinden in Kleinasien gehabt, also geistlich eine Art Vorrangstellung besessen.
Was kann also geschehen sein? Nach den Lobreden im ersten Teil ist auszuschließen, daß die Gemeinde etwa zum Artemiskult zurückgekehrt wäre, der zuvor in Ephesus üblich war.
Was bedeutet “die erste Liebe verlassen”?
Mit einer »ersten Liebe« verbinden wir das besondere Feuer, welches im Herzen für eine andere Person brennt und alles in Beschlag nehmen kann. In diesem Fall ist das Feuer für Gott gemeint, vielleicht der Eifer der ersten Bekehrung, die Glut einer solchen Liebe. Sie ist ein spezielles Licht, das nicht nur den Willen stärkt, das Gute zu tun, sondern alles mit dieser Liebe durchdringt und von ihr zeugt. Es entsteht eine ungewöhnliche »Wachheit des Herzens«, die dann in eine dauerhafte Liebe münden soll, welche diese Wachheit immer in uns erhält, wenngleich sie auch im Laufe des Weges andere Ausdrucksformen bekommen mag.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Zustand der “Wachheit des Herzens”, d.h., daß in besonderer Weise das Herz ergriffen ist.
Nun kann es geschehen, daß eine solche »Wachheit des Herzens«, aus der die guten Werke des Glaubens kommen: “Kehr zurück zu deinen ersten Werken!” mit der Zeit geringer wird, wenn die Liebe nicht entsprechend gepflegt wird. Es bleiben dann noch all die guten Werke und Haltungen, die der Herr lobend erwähnt, aber das besondere Feuer der ersten Liebe glüht nicht mehr. Die Werke strahlen dann nicht mehr die besondere Wärme dieser Liebe aus. Vielleicht ist der Eifer für den Weg der Heiligkeit zurückgegangen, jener Eifer, der täglich bemüht ist, in der Liebe zu wachsen.
Eine Berufung zum Ordensleben oder zum Priestertum könnte als Beispiel dienen.
Die erste Liebe hat den Berufenen so ergriffen, daß er bereit war, alles zu verlassen, um nur noch dem Herrn zu folgen. Die Glut dieser Liebe hat so gebrannt und ihn bereit gemacht, alle Hindernisse zu überwinden, die Welt wirklich zu verlassen und Gott ganz zu gehören. Man hat in dieser ersten Liebe auf der »Höhe der Berufung« gelebt und wurde so zur Leuchte.
Auf der Länge der Strecke aber ist man nicht wachsam genug gewesen und wurde nachlässig, der Weg der Heiligkeit erschien zu mühsam. Man hat sich wieder mehr im Diesseits eingerichtet, den Wünschen seiner menschlichen Natur nachgegeben, den Weg einer sinnvollen Askese vernachlässigt, das Gebet nur noch pflichtgemäß verrichtet und den unwichtigen Dingen immer mehr Raum gegeben. Man hat zwar nicht den Weg verlassen oder wurde gar abtrünnig – die Pflichten wurden weiter erfüllt – aber das Herz war nicht mehr richtig dabei. Der Glanz des Weges ist verblaßt, das Herz hat die Glut verloren.
Das könnte der Zustand sein, den der erhöhte Herr hier meint: der Verlust dieser Dimension der ersten Liebe, zu der man zurückkehren soll, damit der Weg der Nachfolge wieder jenen Glanz und jene Höhe erhält, welche der ersten Liebe zu eigen sind! Daß dies möglich ist, zeigt uns das Wort des erhöhten Herrn!
In einer aufrichtigen Selbstreflexion sollten wir also erkennen, wo unsere Liebe vielleicht geringer geworden ist; was wir tun können, um wieder ganz zu ihr zu erwachen; wie wir den Eifer für den Herrn und sein Reich wieder zurückgewinnen können. Das ist möglich, und vielleicht müssen wir auch erst einmal eine Zeitlang »aufholen«.
So wird der heutige Text zu einer Einladung, sich dem Herrn mit ganzem Herzen zuzuwenden und das evtl. kalt gewordene Herz ihm hinzuhalten, damit er es mit dem Heiligen Geist berühren kann. Auch die Trägheit und Gleichgültigkeit unseres Herzens braucht die Berührung mit dem »Feuer der Liebe«, das der Heilige Geist ist.
Wir sehen, daß der erhöhte Herr, der am Ende der Zeit wiederkommen wird, die Seinen im Blick hat. Es ist Seine Liebe, die uns nicht nur sagt, was wir Gutes tun und wie wir ihm entsprechen können, sondern auch, was uns fehlt und wo wir gefährdet sind. Doch der Herr ist nicht nur ein Meister, welcher uns weise formt, sondern auch derjenige, der uns die Kraft schenkt, seinem Ruf besser zu entsprechen. Er ist der Herr – und nicht nur ein menschlicher Lehrer!