Mt 5,17-19
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.
Gott kann sich nicht widersprechen! Jeder, der meint, Gottes Gesetz verändern zu können, befindet sich in einem gewaltigen Irrtum und in großer Gefahr. Gottes Gebote sind ein großes Geschenk für die Menschheit. Sie erinnern uns an seine Gegenwart und an das geschichtliche Ereignis, als Mose die Gebote auf dem Sinai empfangen hat (Ex 19 und 20).
Wir sind nicht selbstmächtig und können alles so tun, wie es uns beliebt! Falsche Wege ziehen Unheil nach sich. Es ist eine große Versuchung in dieser Zeit, von Gott und seinen Geboten abzuweichen und nach eigenem Gutdünken zu leben. Die wahre Liebe aber erstirbt dann. Es ist Jesus selbst, der darauf aufmerksam macht, daß die ihn lieben, die seine Gebote halten (vgl. Joh 14,21 und 1 Joh 2,3-4).
Der Heilige Paulus spricht in Bezug auf das Gesetz von einem »Erzieher«, von einem »Zuchtmeister« (Gal 3,24) auf das Kommen Christi hin. In seiner Verkündigung wird er nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, daß durch den Neuen Bund ein anderer Abschnitt begonnen hat, ein wichtigerer und größerer als der vorige. Durch das Kommen des Gottessohnes, durch den Tod und die Auferstehung Jesu, lebt jetzt in der Welt eine Gnade, welche die Herrlichkeit des Alten Bundes übersteigt. Der Erlöser kam und nahm das Joch des Gesetzes auf sich. Er erfüllt das Gesetz auf das Vollkommenste, gibt sein Leben als Sühnopfer für alle Sünden hin und bietet uns die Vergebung der Schuld an. So tritt eine neue Wirklichkeit in diese Welt ein, die sich durch die Auferstehung Jesu und das Kommen des Geistes noch tiefer einsenkt.
Mit der Gnade des Kommens Jesu sind wir nicht nur in der Lage, die Gebote Gottes zu halten, sondern wir sind gerufen, sie in ihrem Sinngehalt noch feiner zu verstehen. Denken wir z.B. daran, wie Jesus uns erklärt, daß nicht nur der konkrete Ehebruch das Gebot Gottes bricht: “Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen” (Mt 5,28). Wir erkennen, daß hier der Sinn des sechsten Gebotes noch feiner aufgeschlüsselt ist.
Das Kommen des Gottessohnes und seine barmherzige Liebe bedeuten also nicht, daß die Gebote Gottes nicht mehr so wichtig oder gar überholt sind, sondern daß wir ihre Weisheit noch mehr entdecken können, um Gott zu preisen. Wenn das Wort des Herrn und die Lehre der Kirche uns z.B. vor Augen stellt, daß praktizierte Homosexualität eine schwere Sünde ist und daß Menschen mit einer solchen Neigung aufgerufen sind, sich zum Herrn zu bekehren und in Keuschheit zu leben, dann ist dies nicht etwa unbarmherzig – auch wenn es in der heutigen Zeit oft so gesehen werden möchte und es sogar in der Kirche Strömungen gibt, die sich in dieser Hinsicht mehr dem Denken der Welt anpassen. Doch es entspricht der wahren Liebe, an der Wahrheit festzuhalten. Diese Liebe will betroffenen Menschen helfen, ihren Weg in Übereinstimmung mit Gott zu finden, denn im Befolgen seiner Gebote allein liegt das wirkliche Glück.
Der Text macht uns nachhaltig darauf aufmerksam, daß wir die Wahrheit bezeugen sollen. Im Licht des Neuen Testamentes können wir den Menschen noch besser vermitteln, daß das Gesetz des Herrn nicht einfach nur eine Regel ist, die man zu befolgen hat. Daß es, wenn man es nicht hält, negative Konsequenzen nach sich zieht. Es gilt die Schönheit und Weisheit der Gebote Gottes verkünden.
Nehmen wir als leuchtendes Beispiel das Gebot, welches der Herr als das wichtigste bezeichnet:
“Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn versuchen und fragte ihn: Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste? Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.” (Mt 22,35-37)
Das entspricht dem ersten Gebot:
“Ich bin der Herr, Dein Gott. (…) Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.” (Ex 20,2-3)
“Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen.” (Mt 4,10)
Hier spricht Jesus etwas ganz Selbstverständliches an, was uns Menschen oft aber verlorengegangen ist. Der Herr erinnert daran, daß der Mensch das wahre Glück nie außerhalb der Gebote finden kann. Es ist der Sinn unseres Daseins, das Wort Jesu zu verwirklichen und wir können Gott nie genug dafür preisen. Indem wir Gott lieben, finden wir unsere tiefste Identität und unsere ewige Heimat. Und Gott kann uns als seine Kinder ganz an sich ziehen und mit sich selbst erfüllen.
Wir können jedes einzelne Gebot betrachten, immer werden wir die Weisheit darin entdecken, denn alle sind von dem gegeben, der die Weisheit selbst ist.
Deshalb können wir gut verstehen, daß der Herr jene preist, welche die Menschen unterweisen, die Gebote des Herrn zu halten und zu lieben. Sie sind, wie jedes Wort des Herrn, wahres Leben. Die Gebote zu verkünden und die Menschen entsprechend zu lehren, bedeutet, das wahre Leben weiterzuschenken.