DIE BRUNNENSCHALE  

“Sei wie eine Brunnenschale, die zuerst das Wasser in sich sammelt und es dann überfließend weitergibt.” (Bernhard von Clairvaux)

Der heilige Bernhard verweist darauf, daß der Schwerpunkt zunächst auf den eigenen Weg der Heiligkeit gelegt werden sollte, der dann große Frucht bringen wird, wenn die Gnade Gottes reichhaltig in uns wirksam wird. Das werden alle geistlichen Lehrer bestätigen, und es ist völlig folgerichtig: “Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund” (Lk 6,45).

Manchmal mögen gläubige Menschen Skrupel haben, ob es nicht egoistisch ist, sich viel Zeit für die Pflege der Beziehung zu Gott zu nehmen. Gewiß kann das geschehen, wenn man seine sonstigen Pflichten vernachlässigt und so eine Disharmonie entsteht. Doch grundsätzlich gilt: Die Pflege der Gottesbeziehung ist ein Ausdruck höchster Liebe und Ehrerbietung gegenüber unserem Vater und läßt unser Herz zur Liebe erwachen.

Wenn wir uns das vergegenwärtigen, wird einsichtig, was der heilige Bernhard sagt: Ströme von lebendigem Wasser – damit sind Ströme der Gnade Gottes gemeint – sollen durch unser Leben zu anderen Menschen fließen.

Wenn wir für die Gnade empfänglich geworden sind und sie einen dauerhaften Weg zu uns gefunden hat, weil wir auf sie geantwortet haben – also zu einer Brunnenschale geworden sind –, wird es nicht an Wasser fehlen, denn die Liebe unseres Vaters ist unerschöpflich. Sie will immer geben. Die Schale wird stets voll sein, wenn sie nicht Löcher hat, durch die das Wasser wegfließt. Darauf haben wir wachsam zu achten!

Klares Wasser, lebendiges Wasser, heilsames Wasser, reinigendes Wasser …

All das soll durch die Gnade Gottes zu uns und zu den Menschen strömen. Welch schöne Aufgabe! Und je mehr Brunnenschalen, desto mehr Wasser kann fließen!