Gal 3,21-29
Hebt also das Gesetz die Verheißungen auf? Keineswegs! Wäre ein Gesetz gegeben worden, das die Kraft hat, lebendig zu machen, dann käme in der Tat die Gerechtigkeit aus dem Gesetz; stattdessen hat die Schrift alles der Sünde unterworfen, damit durch den Glauben an Jesus Christus die Verheißung sich an denen erfüllt, die glauben. Ehe der Glaube kam, waren wir im Gefängnis des Gesetzes, festgehalten bis zu der Zeit, da der Glaube offenbart werden sollte. So hat das Gesetz uns in Zucht gehalten bis zum Kommen Christi, damit wir durch den Glauben gerecht gemacht werden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, stehen wir nicht mehr unter dieser Zucht. Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus. Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben kraft der Verheißung.
Es kostete den Apostel Paulus nicht wenig Überzeugungskraft, die Neuheit der Botschaft des Evangeliums besonders gegenüber jenen durchzusetzen, die im jüdischen Glauben instruiert waren! Der Apostel betont einerseits, daß die Botschaft des Evangeliums in Übereinstimmung mit der bisherigen Tradition steht, das Kommen des Herrn von den Propheten verkündet und in ihnen vorgebildet war, andererseits unterstreicht er auch die Freiheit, die durch den Glauben an Christus zu den Menschen gekommen ist.
Paulus stellt uns im heutigen Text das Gesetz als Zuchtmeister vor, ja, er spricht sogar vom „Gefängnis des Gesetzes“! Um dies besser zu verstehen, müssen wir uns die Schwachheit des Menschen vor Augen halten, der immer in Gefahr ist, seinen unguten Neigungen zu erliegen und in Sünde zu fallen! Wie oft begegnen wir diesem Umstand in den Heiligen Schriften! Es ist eine fatale Fehleinschätzung, wenn man annimmt, daß der Mensch, wenn er sich und seiner Natur überlassen bleibt, einfach das Gute tut! Niemand weiß das besser als unser Himmlischer Vater! Deshalb gibt er dem Volk Israel vor dem Kommen seines Sohnes das Gesetz! Es zeigt auf, was Sünde ist, und läßt die Israeliten auch die Folgen spüren, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen!
Gott richtet dieses Gesetz wie einen Wächter auf, damit der Mensch im Schutz des Gesetzes bleibt und nicht seinen Neigungen ausgeliefert ist! Der Mensch soll sich bewahren und auf den Wegen des Herrn gehen, damit er das große Gut des Lebens und die Ebenbildlichkeit Gottes nicht verletzt! Deshalb reguliert ein solches Gesetz viele Dinge für den Menschen, was in gewisser Weise dann ein Gefängnis ist, wie es Paulus ausdrückt! Dieser „Zuchtmeister“ hat seine Aufgabe zu erfüllen, bis die Gnade, die durch das Kommen des Herrn in uns wirksam wird, diesen Zuchtmeister nicht mehr benötigt, er sogar zum Hindernis werden würde, in der Freiheit zu leben, die uns der Herr bringt!
Für unseren Weg der Nachfolge Christi sind einige wichtige Elemente zu erkennen:
Wir könnten sagen, daß für unseren inneren geistlichen Weg die Askese und die Disziplin eine Art „innerer Zuchtmeister“ darstellen, damit wir uns nicht Neigungen überlassen, welche die Fruchtbarkeit unseres Weges beeinträchtigen! Die Askese – also der Kampf – zügelt unsere Neigung, uns den sinnlichen und geistigen Genüssen des Lebens zu überlassen! Je stärker wir in ihnen verhaftet sind, desto notwendiger ist die Askese!
Nehmen wir zwei einfache Beispiel zur Anschauung: Das übermäßige Essen als sinnliche Entgleisung und das übermäßige Reden als geistige Unordnung! Beides schadet unserem geistlichen Leben! Während das übermäßige Essen uns leicht träge macht und zusätzlich die Gesundheit gefährdet, schadet das übermäßige Reden der Fähigkeit des Zuhörens, der inneren Sammlung auf Gott hin und belästigt auch unsere Mitmenschen! Beides sind Formen des „Sich-Gehen-Lassens“.
Der „innere Zuchtmeister“ legt uns nun Regeln auf! Er verordnet uns z.B. eine Diät, bzw. die Zügelung der Begehrlichkeit des Essens! Je nachdem, wie stark wir davon befangen sind, braucht es mehr Regelungen, um zu erreichen, daß wir unserer Schwäche nicht nachgeben!
Ähnlich verhält es sich mit dem ungeordneten Rededrang! Wenn wir ihn nicht durch Anstrengungen und Einschränkungen zügeln, wird es uns nicht gelingen, ihn so zu ordnen, daß er nicht mehr schadet!
Wir sehen also, daß bestimmte Einschränkungen uns helfen sollen, nicht zu entgleisen! Sie sind jedoch nicht das Ziel und haben auch nicht die Kraft, uns heilig zu machen! Sie legen uns Fesseln an, bis die Gnade des Herrn in unserem geistlichen Leben so wirksam wird, daß wir die strenge Art der Zügelungen nicht mehr brauchen und – auf unsere beiden Beispiele der geordneten Nahrungsaufnahme und des geordneten Redens bezogen – bis wir das rechte Maß gefunden haben!
Diese Beispiele könnten nun auf andere Bereiche ausgedehnt werden! Vielleicht wird uns dadurch noch etwas klarer, was der heilige Apostel der Gemeinde in Galatien vermitteln möchte! Der Zuchtmeister des Alten Bundes hat seinen Dienst bis zum Kommen des Herrn getan! Jetzt gilt es, in der Freiheit der Gnade zu leben, die Jesus Christus uns gebracht hat! Wir sind durch den Glauben Söhne Gottes in Jesus Christus!