Der Weg der Gebote

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Psalm 119,33-37.40

Herr, weise mir den Weg deiner Gesetze!
Ich will ihn einhalten bis ans Ende.

Gib mir Einsicht, damit ich deiner Weisung folge
und mich an sie halte aus ganzem Herzen.

Führe mich auf dem Pfad deiner Gebote!
Ich habe an ihm Gefallen.

Deinen Vorschriften neige mein Herz zu,
doch nicht der Habgier! 

Wende meine Augen ab von eitlen Dingen;
durch dein Wort belebe mich!

Nach deinen Befehlen hab‘ ich Verlangen.
Gib mir neue Kraft durch deine Gerechtigkeit!

Sehr prägnant weist uns der Psalmist in seiner Bitte an Gott auf den Weg einer authentischen Nachfolge des Herrn hin. In wenigen Worten wird uns gesagt, was wir tun und was wir lassen sollen, um auf unserem Weg nicht stehenzubleiben oder gar in die Irre zu gehen.

Der Weg der Gesetze: Es geht nicht ohne die Gebote des Herrn! Sie sind die absoluten Leitplanken auf unserem Weg mit Gott. Jede geringste Verletzung bringt unsere Schritte ins Wanken, eine dauerhafte Verletzung der Gebote führt in die Irre. Jesus macht uns auf diesen Weg der Gebote noch genauer aufmerksam. Schon der ungeordnete Blick auf die Versuchung durch die Sünde bindet uns an sie und verdunkelt die Seele (vgl. Mt 5,28). Damit tritt sie objektiv bereits in den Bereich der Gottesferne ein.

Wir sind gerufen, den Weg der Gesetze bis zum Ende zu gehen. Dieses Wort kann eine zweifache Bedeutung haben: Zum einen, daß wir dem Weg bis zum Tod treu zu bleiben haben, zum andern, daß wir die Gebote in ihrer ganzen uns zugänglichen Bedeutung und in allem, was sie umfassen, erfüllen sollen. Dazu bitten wir Gott um Einsicht.

Die Gabe der Einsicht ist eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes, die uns in die innere Schönheit der Weisungen des Herrn eindringen läßt. Sie sind dann nicht etwa eine Last oder in erster Linie eine Verpflichtung, der wir zu entsprechen haben, sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes stimmen wir mit ganzem Herzen diesem Weg zu, d.h. unser Herz erwacht in der Liebe zu Gott und seiner weisen Führung.

Der Geist der Frömmigkeit wirkt in uns, wenn wir zunehmend Gefallen am Weg seiner Gebote finden, wenn wir in unserer ganzen Ausrichtung darauf bedacht sind, unserem himmlischen Vater und seiner Ehre mit Freude zu dienen. Eifersüchtig wird der Geist des Herrn in uns und mit uns darüber wachen, daß nichts mehr in uns Bestand hat, was dem Willen Gottes widerspricht.

Unser Herz, aus dem nach den klaren Worten Jesu alles Böse kommt (Mt 15,19), ist gerufen, sich dem Herrn zuzuwenden, der es an sich zieht. Er befreit es von aller Habgier, gleichgültig, worauf sie sich auch richten mag, seien es materielle oder geistige Güter, die wir für uns besitzen wollen und die wir nicht mehr als Geschenk Gottes verstehen.

Mit großer Wachsamkeit gilt es, das Herz von eitlen Dingen abzuwenden. Sie nehmen nicht nur unser Herz gefangen, sondern verdunkeln auch den Ausdruck unseres Lebens. Außerdem machen sie uns zu Toren, die sich einer gewissen Lächerlichkeit ausliefern. Wie töricht ist es doch, sich an vergängliche Dinge zu klammern und von ihnen Glück zu erwarten! Und wie töricht ist es, sich auf sein Wissen oder sein Aussehen etwas einzubilden!  Kohelet gibt die rechte Weisung: “Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch.” (Koh 1,2) – außer, Gott zu dienen!

Das Wort des Herrn spendet Leben: Wohl dem, der es betrachtet, vertieft und danach handelt. Das Wort sättigt die Seele und weckt gleichzeitig das Verlangen, den Herrn noch tiefer zu erkennen. Die Seele hört auf, herumzuschweifen und auf der Suche nach saftigen Weiden doch nur löchrige Zisternen zu finden (vgl. Jer 2,13), sondern nimmt die wahre Nahrung auf. Wenn sie klug ist, dann tut sie, was die Wüstenväter geraten haben: Sie kaut das Wort Gottes, bis es seine ganze Süße und Würze entfaltet. Sie handelt wie die Jungfrau Maria und bewegt das Wort in ihrem Herzen, bis es sie durchdringt (Lk 2,19).

Die Betrachtung der Weisheit Gottes und seiner Gerechtigkeit stärkt die Seele und gibt neue Kraft, den Weg der Gebote weiterzugehen und ihm treu zu bleiben.

Machen wir uns am Ende dieser kleinen Auslegung des Psalms noch eines klar: Wie der Psalmist haben wir darum zu bitten, daß wir fähig werden, diesen Weg zu gehen. Aus uns selbst heraus haben wir nicht genügend Kraft, all dem zu widerstehen, was uns vom Weg abbringen will. Doch Gott läßt uns nie allein. Er kennt unsere Schwächen und Begrenzungen und hat uns allerlei Hilfsmittel gegeben, um uns immer wieder aufzurichten und weiterzuführen. Durch das Kommen seines Sohnes ist er uns näher als in Zeiten des Alten Bundes. “Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.” (Joh 1,14a). In den heiligen Sakramenten bietet er uns immer wieder seine Gnade an, damit jeder sicher auf dem Weg der Gebote wandeln kann, wenn er auf den Herrn hört und seine unschätzbare Hilfe annimmt.