Geistliche Lehre (IV) – Der Weg der Erleuchtung und Vereinigung

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Es ist sicher der Weg der Reinigung, der am Anfang des geistlichen Weges im Vordergrund steht und mit dem wir es dann unser Leben lang zu tun haben. Deshalb habe ich auch diesem Bereich die meiste Aufmerksamkeit zugewandt. Zu diesem Weg gehört auch das, was man in der Mystik die Nacht des Geistes nennt. Allerdings sei hinzugefügt, daß diese “Nacht”, wenn überhaupt, dann in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt des geistlichen Lebens eintritt, und daß wohl nicht sehr viele Menschen diese Art der Reinigung bewußt erleben. Es sei auch noch hinzugefügt, daß das Schema von Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung nicht als eine starre Regel begriffen werden sollte. Der Herr bleibt immer souverän, wie er die einzelne Seele führen will. Doch mag es hilfreich sein, wenigstens einen kleinen Eindruck zu bekommen, wie die Umgestaltung der Seele durch den Heiligen Geist vor sich geht.

 

Der Weg der Erleuchtung:

“Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu Dir!

Auf diesem Weg der intensiven Nachfolge Christi schenkt der Herr reichlich Gnaden, so daß wir immer durch ihn gestärkt werden. Wenn wir die Wege der Reinigung beschritten haben und der Herr bereits manches in uns geläutert hat, dann fängt das Wort Gottes an, noch tiefer zu uns zu sprechen. Das Gebet wird inniger und dauerhafter, wir empfangen die Heiligen Sakramente bewußter und ihre Wirkung reicht in eine größere Seelentiefe.

Alles, was durch die Läuterung in uns bereits zur größeren Freiheit gelangt ist, ist nun transparenter für die Liebe Gottes, welche uns immer mehr erleuchtet in Bezug auf den Wert und die Schönheit des Glaubens. Der übernatürliche Glanz des Glaubens entfaltet sich stärker in unserer Seele. Wir lernen alles mehr und mehr im Lichte Gottes zu erkennen, welches unseren menschlichen Verstand überragt und erleuchtet. All das, was der Herr uns schon in seiner Gnade geschenkt hat, um uns zu erleuchten, intensiviert sich nun, und das Wort nimmt immer mehr Gestalt in uns an.

Es ist ein Vorgang, den wir nicht direkt erwirken können. Die Erleuchtung ist eine Frucht der Nachfolge des Herrn, wenn wir unserem Weg treu bleiben und mit den Gnaden mitwirken, welche der Herr uns schenkt. Er ist in seiner Großzügigkeit nie zu übertreffen, wenn wir ihn bitten, uns all das zu schenken, wodurch wir Ihm näherkommen. Es bedarf unserer Aufmerksamkeit und Treue, die Geschenke des Herrn auch fruchtbar werden zu lassen.

 

Der Weg der Vereinigung:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir

Das größte Hindernis, um ganz mit Gott vereint zu werden, ist weder die Attraktion durch diese Welt, noch die Schwäche des Fleisches oder die Angriffe des Teufels, sondern der tief eingewurzelte Eigenwille. Dieser ist uns oft gar nicht richtig bewußt, sondern wir handeln wie selbstverständlich nach diesem Eigenwillen. Um ihn tiefer zu überwinden, braucht es nicht nur die “aktive Reinigung”, in der wir versuchen ihn zu zähmen, sondern das, was man in der mystischen Theologie die “passive Reinigung” nennt.

Gott führt in dieser “passiven Reinigung” Umstände herbei, die wir uns nicht ausgesucht haben und die wir lernen, in Ihm anzunehmen. Das können z.B. Krankheiten sein, unerwartete Wendungen des Lebens, plötzlich auftretende Verfolgungen, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Gerade dann, wenn sie unseren Lebensplanungen widersprechen und wir uns überwinden, sie als Schulung des Herrn anzunehmen, beginnen wir uns tiefer mit dem Herrn zu vereinen. Mit jedem Schritt der Überwindung, den wir als Selbstverleugnung (vgl. Mt 16,24) verstehen, wird es uns leichter fallen, den jeweils erkannten Willen Gottes anzunehmen und zu tun.

Auch dies ist ein durch den Heiligen Geist gewirkter Liebesprozeß, denn wir werden dem Herrn in der Ewigkeit nur begegnen können, wenn wir ganz umgewandelt sind. Wenn er uns dies schon auf der Erde durch den Weg der Heiligkeit anbietet, dann ist es sowohl eine Vorbereitung für die Vereinigung im Himmel, als auch für eine größere Fruchtbarkeit auf unserer Erdenwanderschaft.