Ps 119,9-14
Wie geht ein junger Mann seinen Pfad ohne Tadel?
Wenn er sich hält an dein Wort.
Ich suche dich von ganzem Herzen.
Lass mich nicht abirren von deinen Geboten!
Ich berge deinen Spruch im Herzen, damit ich gegen dich nicht sündige. Gepriesen seist du, Herr. Lehre mich deine Gesetze!
Mit meinen Lippen verkünde ich alle Urteile deines Mundes.
Nach deinen Vorschriften zu leben freut mich mehr als großer Besitz.
Das Wort des Herrn tief im Herzen tragen, sich danach richten und den Herrn bekennen – das ist, kurz zusammengefaßt, die Botschaft dieses Psalms!
Wir werden durch die Heiligen Schriften immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß wir aus dem Wort Gottes leben sollen. Ein wesentlicher Teil der geistlichen Unterweisung besteht darin, wie denn das Wort in uns eindringen kann, um Frucht zu bringen, so wie Gott es vorgesehen hat!
Es ist jedoch nicht nur um dieses Aspektes willen wichtig, sondern auch, um sich in Verfolgungssituationen immer vom Tisch des Wortes nähren zu können! Auch wenn wir uns dies im Augenblick kaum vorstellen können, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß es einmal schwierig oder gar unmöglich ist, die Sakramente zu empfangen! Ein Blick in die Vergangenheit, und auch in manche Länder in unserer Zeit, unterstreicht diese Möglichkeit!
Es ist der Heilige Geist, der uns an all das erinnert, was Jesus gesagt und getan hat! Er ist also die lebendige Erinnerung in uns, oder genauer gesagt: Der Heilige Geist vergegenwärtigt all die Worte und Taten des Herrn! Deshalb gilt es, ihm gegenüber in einer empfänglichen Beziehung zu leben, denn er ist es auch, der das Wort Gottes unverfälscht in uns bewahrt und vor falschen Interpretationen, Irrtümern und Relativierungen schützt!
Der Psalm berichtet von dem aufmerksamen Bemühen, nicht vom rechten Weg abzuweichen. Wir hören, wie der Geist der Gottesfurcht wirksam ist und vernehmen, daß vom „Bergen des Gotteswortes“ im Herzen die Rede ist! Dieses Bergen des Wortes bedeutet, daß es einen Innenraum geben muß, aus dem die reine Quelle des Wortes fließen kann! Das aufgenommene Wort wird dann nicht hinweggetragen, wie wir es einem Gleichnis Jesu entnehmen können (vrgl. Mk 4,1-20), sondern es schlägt tiefe Wurzeln und bleibt! Es bringt die Frucht der rechten Taten hervor und ist gleichzeitig immerwährende Nahrung für die Seele, denn das Wort des Herrn erschließt sich demjenigen immer tiefer, der in und aus ihm lebt; es durchformt mit seinem Licht unseren Verstand, erleuchtet die Vernunft, erwärmt das Herz, klärt unser ganzes Sein! Wir lernen vom Wort her zu denken und zu handeln und nicht primär von unseren Vorstellungen und Wünschen!
Es ist also ratsam, wenn man im Wort des Herrn leben will, es nicht nur zu lesen und zu studieren, sondern den Heiligen Geist zu bitten, all das Gelesene und Aufgenommene so zu festigen, daß er es immer in uns vergegenwärtigen kann, daß es zu unserem gemeinsamen Schatz wird!
Wenn wir im inneren Austausch mit dem Geist des Herrn leben, dann wird es für den Heiligen Geist eine Freude sein, uns zu jeder Zeit und in allen Umständen an das Wort zu erinnern und uns auch den Schlüssel zum Verständnis des Wortes zu geben! Denken wir daran, daß z.B. der Apostel Petrus zu Pfingsten bei der Herabkunft des Heiligen Geistes sich nicht nur an die Worte des Propheten Joel erinnerte – sicher auf Inspiration des Heiligen Geistes hin – sondern auch den Schlüssel des Verständnisses durch ihn erhielt, und dann vollmächtig predigen konnte!
Wenn das Wort Gottes in uns dauerhaft wirksam werden soll, wenn es uns vor der Sünde bewahren und zu allem Guten anleiten soll, dann gibt es niemanden, der dies besser vermag als der Heilige Geist selbst! Wir können ihn also bitten, daß er der Wächter über all das sein soll, was durch ihn selbst in uns gewirkt wurde; daß er sich immer in den Weg stellt, wenn wir in Gefahr sind, falsche oder irrige Wege einzuschlagen, wenn wir Worte aufnehmen, die nicht vom Hirten der Schafe stammen! Er wird uns einen ganz feinen Geist geben, damit wir Abweichungen, Versuchungen, irrige Lehren, Ideologien schon im Ansatz bemerken – statt der Wege Gottes!
Wenn Zeiten der Verfolgungen kämen und wir z.B. nicht mehr die Sakramente empfangen könnten, es verboten wäre, die Bibel zu lesen oder sie so verändert würde, daß sie dem Geist der Welt angepasst wäre, dann wird es unser innerer Wächter sein, der den Schatz der gelesenen und gehörten Worte des Herrn nicht nur treu bewahrt und gehütet hat, sondern er wird alles für uns vergegenwärtigen! Mag man versuchen, uns alles zu nehmen, den Heiligen Geist in unserem Herzen kann uns niemand rauben! Dieser würde nur durch die schwere Sünde und das Verharren in ihr weichen, und davor wird er uns umso mehr bewahren, je mehr das Wort Gottes in uns lebt!